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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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fuhr erschrocken hoch. »Bitte?«
    »Der Boden«, sagte Vincent und zeigte auf den Kaffeebecher. »Sie werden ihn demnächst durchgewetzt haben.«
    Der Mann richtete seinen Blick auf den Becher, als sehe er ihn zum ersten Mal. »Ach so«, sagte er. »Ja. Ich sollte nicht zwei Dinge auf einmal machen. Das ist sowieso weniger effizient, als man denkt.«
    »Muss ja eine spannende Lektüre sein«, meinte Vincent und nahm am Nebentisch Platz.
    »Wie man’s nimmt.« Der Mann hob die ersten paar Blätter hoch. Es waren dicht bedruckte Tabellen. »Abstimmungsergebnisse, aufgegliedert nach allen möglichen Kriterien. Lauter Zahlen. Da muss man sich konzentrieren. Ich bin Wahlforscher, müssen Sie wissen«, fügte er hinzu.
    Ein heißer Schreck durchzuckte Vincent. Ausgerechnet! Er war einen Moment lang versucht, das Gespräch mit irgendeiner Floskel abzubrechen und die Zeit bis zu seinem Termin lieber mit einem Spaziergang herumzubringen. Aber dann sagte er sich, nein, er würde das jetzt durchstehen. Dem Schrecken ins Gesicht sehen und ihn dadurch besiegen.
    Also blieb er sitzen und sagte: »Wahlforscher? Ich wusste nicht, dass das ein Beruf ist.«
    Der Bärtige hob die Brauen, die nicht weniger buschig waren als sein Bart, und erklärte: »Präziser gesagt, bin ich Statistiker. Ich arbeite für ein privates Meinungsforschungsinstitut im Bereich von exit polls , also Wahltagsbefragungen.«
    »Klingt interessant«, sagte Vincent, stolz, dass er auf eigene Faust über seine Ängste hinwegkam. »Und was macht man da so?«
    »Wir befragen Wähler am Wahltag, wenn sie aus dem Wahllokal kommen, wie sie gestimmt haben, und versuchen daraus das tatsächliche Wahlergebnis hochzurechnen.« Er machte eine flatternde Bewegung mit der Hand. »Meistens im Auftrag von Nachrichtensendern und Zeitungen. Kein schlechtes Geschäft, aber weil das so einfach aussieht, machen es inzwischen derart viele, dass man sich schon ins Zeug legen muss, um seine Kunden zu behalten. Wie überall.«
    Vincent nickte verstehend. »Sie meinen, wenn das tatsächliche Wahlergebnis zu sehr von Ihrer Vorhersage abweicht, sind Sie weg vom Fenster?«
    »So ähnlich.«
    »Wenn Sie sagen, dass das nicht so einfach ist, wie es aussieht – was ist daran schwierig?«
    »Oh, das ist ein weites Feld«, meinte der Mann und begann, sich mit den Fingern durch den Bart zu fahren. »Zunächst ist es eine Frage statistischer Standards; nicht wahr, Sie müssen dafür sorgen, dass Ihre Stichproben groß genug sind und außerdem repräsentativ … Zum Beispiel ist allgemein bekannt, dass schwarze Amerikaner bevorzugt die Demokraten wählen, reiche Leute lieber die Republikaner und so weiter. Das muss man bei den Befragungen berücksichtigen und die Ergebnisse entsprechend umrechnen, sonst liegt man gewaltig daneben.«
    Vincent nickte geflissentlich. »Verstehe.«
    »Dann weigern sich natürlich viele Leute, Auskunft zu geben. Was ihr gutes Recht ist, aber der Anteil derer, die sich weigern, unterscheidet sich auch je nach politischer Orientierung. Da muss man Korrekturfaktoren in Anrechnung bringen, die sich aus dem Vergleich zwischen den Wahlergebnissen in einem Bezirk und der Hochrechnung aus den dortigen exit polls ergeben.«
    Vincent nickte wieder, schon etwas weniger geflissentlich. »Ah ja.«
    »Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist, dass die Befragten nicht immer die Wahrheit sagen. Manche Leute geben ihre Stimme aus Protest einem extremen Kandidaten, verheimlichen das aber gegenüber dem Interviewer. Das verfälscht ein Ergebnis natürlichauch, wobei dieser Effekt sehr schwer in den Griff zu kriegen ist.«
    Vincent nickte nur noch, sagte aber nichts mehr.
    »Ein anderes Phänomen ist, dass verschiedene Gruppen am Wahltag zu verschiedenen Zeiten wählen gehen. Ältere Leute, Mütter von kleinen Kindern und so weiter wählen meist früh am Tag, und da unsere Kunden möglichst sofort nach der Schließung der Wahllokale die ersten Hochrechnungen veröffentlichen wollen, sind solche Wählerschichten darin überrepräsentiert, während Wähler, die in letzter Minute auftauchen, überhaupt nicht berücksichtigt werden können.«
    »Klingt tatsächlich alles komplizierter, als man denkt«, sagte Vincent. Vielleicht hätte er doch lieber den Spaziergang machen sollen.
    »Aber« – der Bärtige hob dozierend den Zeigefinger – »es geht nicht darum, ob ein Nachrichtensender zwei Minuten früher als ein anderer Ergebnisse vorweisen kann. Wenn die Hochrechnungen von sorgfältig

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