Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
nicht tun.
    »Ich kann das nicht«, schloss er lahm.
    Von draußen aus dem Hof drang Lärm herauf. Rufe waren zu hören, Jubelschreie, Gelächter.
    Alex beugte sich, auf einmal mit gewinnendem Lächeln und lammfrommer Miene, leicht vor. »Sie sind Historiker. Sie haben den Überblick über die Geschichte. Ich kenne nur die heutigen Politiker, aber ich wette, es hat in der Vergangenheit eine Menge unfähiger, dummer, schlechter Könige gegeben. Besser als die werden Sie es auf jeden Fall machen.« Er streckte die Hand aus. »Kommen Sie. Ihr Volk wartet auf Sie. Gehen wir hinunter, lassen Sie sich feiern.«
    »Nein«, erwiderte Simon. Er spürte seine Stimme beben. »Ohne mich.«
    Alex blieb unbeeindruckt. »Es ist ein Spiel. Ich habe es begonnen, es läuft großartig – alles, was ich will, ist, es weiterzuspielen.«
    »Das geht jetzt zu weit. Das ist kein Spiel mehr.«
    Alex schüttelte den Kopf, eine Geste nachsichtigen Tadels. »Alles ist ein Spiel, Herr König. Letzten Endes jedenfalls.«
    Der Jubel draußen wurde immer lauter. Erste Sprechchöre bildeten sich. Simon! Simon! Simon!
    Das plötzliche Schweigen im Zimmer dagegen war auf einmal fast unerträglich. Aber Simon wusste nicht, was er noch sagen sollte. Er atmete erleichtert auf, als Leos Telefon klingelte und damit den Bann brach.
    »Ja?«, hörte er den jungen Mann sagen. »Okay. Begleitet sie hoch. Roter Salon, genau.« Leo suchte Simons Blick und sagte: »Ihre Frau ist angekommen.«
    Auch das noch … Simon erhob sich, fühlte sich hilflos, ausgeliefert, alt.
    Im nächsten Moment kam Helene zur Tür hereingestürmt, fiel ihm um den Hals, ihr Gesicht nass von Tränen. »Oh, Simon«, stieß sie hervor, »ich hab es im Auto gehört, auf den letzten Kilometern … Oh, mein Gott, es ist unglaublich. Du hast es geschafft, Simon, du hast es geschafft!«
    Simon hielt sie im Arm, spürte ihre Wärme, ihre Nähe, wie sie überfloss vor Glück – und sah gleichzeitig das vielsagende, dünne Lächeln auf Alex’ Gesicht. Simon wusste mit kristallener Klarheit, dass dies der Moment war, alles aufzuklären, jetzt und hier.
    Aber er brachte es nicht über sich.
    »Königliche Hoheit«, sagte Alex salbungsvoll und öffnete die Flügel des großen Fensters, »Ihr Volk will Sie sehen.«
    Ich bin kein König , dachte Simon.
    Helene sah zu ihm hoch. »Ja, Simon«, hauchte sie. »Geh.«
    Ein König wäre stark genug, die Wahrheit zu sagen.
    Er ließ Helene los. Die Schritte zum Fenster kamen ihm vor, als müsse er durch zähen Schlamm waten. Dann stand er da, umweht von kühler Nachtluft und lautem Gejohle, und winkte müde, nahm die Huldigungen entgegen, den Jubel, die Begeisterung. Ein Spiel, freilich, für die jungen Leute mit ihren Fackeln da unten im Hof war das alles nur ein Spiel.
    Wobei er sich da auch nicht sicher war. Vielleicht ließ sichtatsächlich keine klare Grenzlinie mehr ziehen zwischen Spiel und Ernst.
    Außerdem, sagte er sich, musste er ohnehin noch Stillschweigen über die tatsächlichen Hintergründe bewahren. Vincent war noch nicht wieder frei, folglich auch noch nicht in Sicherheit.
    Natürlich: Damit log er sich in die Tasche. Er wusste es selber. Aber vielleicht reichte es später einmal als Ausrede.
    ***
    Am Tag vor seiner Entlassung wurde Vincent ein letztes Mal in das Büro des Direktors gerufen.
    Das überraschte ihn nicht. Tatsächlich hatte er es erwartet. Ja, genau genommen hatte er es so eingestellt. Denn er hielt es für ratsam, alle Spuren seines Tuns zu beseitigen, ehe er ging. Seine fiesen kleinen Routinen zu löschen und auszurufen: »Ah! Jetzt habe ich den Fehler gefunden! Endlich!« Der Direktor würde erleichtert sein.
    Was Vincent nicht erwartet hatte, war, dass anstelle des allzeit grimmigen Direktors zwei junge, glattgesichtige Männer hinter dessen Schreibtisch saßen, die ihn mit ausdruckslosen Mienen musterten. Sie baten ihn, die Türe zu schließen, und stellten sich dann als Mister Miller und Mister Smith vor.
    »Okay«, meinte Vincent mit zunehmendem Unbehagen, »und worum geht es?«
    Miller faltete die Hände vor sich, eine Geste, die etwas eigentümlich Künstliches an sich hatte. »Sagen wir es einmal so: Es war überaus faszinierend, was Sie mit dem PC des Direktors angestellt haben.«
    »Mit einem simplen Tool wie debug einen Virus aus dem Kopf zu schreiben, das kann nicht jeder«, fügte Smith hinzu.
    Vincent spürte seine Beine schwach werden. Sie hatten den Rechner überwacht! Und so raffiniert, dass er nichts

Weitere Kostenlose Bücher