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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Koffer wieder in einer Nische. »Es tut mir leid, dass ich dich da mit reingezogen habe.«
    Helene betrachtete ihn mit dem deutlichen Gefühl, dass sie irgendetwas Wichtiges nicht mitbekommen hatte. »Wovon redest du? Du bist gewählt worden! Zum König! Und anstatt dich zu freuen, spielst du den Miesepeter wie in alten Zeiten!«
    »Das ist es ja. Ich bin nicht gewählt worden. Das ist alles Betrug.«
    »Betrug? Was heißt das?«
    Simon setzte sich neben sie und seufzte. »Das ist eine lange Geschichte.«
    Helene sah umher, betrachtete das Tablett mit den belegten Broten, die Weinflasche daneben. »Es sieht so aus, als hätten wir Zeit.«
    ***
    Simon erzählte ihr alles. Ja, sie hatten Zeit. Jede Menge. Er begann bei der CD, berichtete von deren Diebstahl, dem Plan, den sie ausgeheckt hatten, und wie es zu dem Fernsehspot gekommen war. Er ersparte sich auch die Details nicht – zum Beispiel, wie ihm Zantini die CD abgeluchst hatte.
    »Und er hat dich wirklich auf deine Ex-Frau angesprochen?«, unterbrach Helene ihn verblüfft, als er die Sache mit der angeblichen Gedankenleserei schilderte.
    »Das ist die Kunst der Magie, nehme ich an«, meinte Simon schulterzuckend. »Die Illusion zu erzeugen. In dem Moment dachte ich wahrhaftig, der Kerl kann Gedanken lesen. Erst nachher ist mir klar geworden, dass er, wenn er rechtzeitig vor mirin der Wohnung gewesen ist, in aller Ruhe meine Unterlagen durchgesehen haben kann. Man braucht bloß die Schublade oben rechts an meinem Schreibtisch aufzuziehen und weiß alles Wesentliche über mich.«
    Helene tätschelte ihm den Arm. »Du bist eben zu ordentlich. Schon immer gewesen.«
    Womit sie wohl recht hatte. Simon versuchte auch zu erklären, warum ihm die Geheimhaltung so wichtig gewesen war. Dass ein vorzeitiges Durchsickern ihres Plans dessen Gelingen nicht nur sicher vereitelt, sondern darüber hinaus auch Vincent in Gefahr gebracht hätte.
    »Lebenslänglich?« Helene konnte es nicht fassen. »Für so eine Lappalie?«
    Simon hob die Schultern. »Amerika. Deren Rechtssystem versteht man ja schon lange nicht mehr.«
    Helene holte die Schnittchen und begann zu essen, während er die Weinflasche entkorkte und weitererzählte. Als er mit seinem Bericht fertig war, war das Tablett leer und die Weinflasche im letzten Drittel.
    »Ein geändertes Computerprogramm?« Sie konnte es nicht fassen, sich wohl auch nichts darunter vorstellen.
    »Verrückt, oder?«
    Helene schüttelte den Kopf. »Kann man das wirklich machen? In Tausenden von Maschinen?«
    »Das weiß ich auch nicht. Aber irgendwie muss es gegangen sein. Anders kann ich mir das Wahlergebnis nicht erklären. Eine Zweidrittelmehrheit für eine einzige Partei, das hat es noch nie gegeben. Wenn man mal von der DDR absieht und den Wahlergebnissen der SED damals.« Simon seufzte. »Und dass es in Deutschland derart viele heimliche Monarchisten geben soll oder dass ich dermaßen charismatisch bin … das glaube ich einfach nicht.«
    Er betrachtete Helene, wie sie dasaß und versuchte, sich über das Gehörte klar zu werden. Würde sie sich nun enttäuscht von ihm abwenden? Würde sie ihm verzeihen, dass er sie nicht von Anfang an eingeweiht hatte?
    Schließlich ließ sich Helene zur Seite sinken, griff nach dem Weinglas, das sie auf dem Fußboden abgestellt hatte, und erklärte entschieden: »Unrecht Gut gedeiht nicht. Wenn Betrug dahintersteckt, wird das nicht lange funktionieren.«
    ***
    Am nächsten Tag strengten alle bisher im Bundestag vertretenen Parteien ein Wahlprüfungsverfahren 82 an.
    81 Ein Video, das zeigt, wie ein EPROM an einem NEDAP-Wahlgerät innerhalb von 60 Sekunden ausgetauscht wird, findet sich unter http://www.youtube.com/watch?v=rtiqwAWu-DU
    82 Auszug aus Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 111-2, veröffentlichten bereinigten Fassung:
    Artikel 1 Absatz 1: Über die Gültigkeit der Wahlen zum Bundestag entscheidet vorbehaltlich der Beschwerde gemäß Artikel 41 Abs. 2 GG der Bundestag.
    Artikel 2 Absatz 1: Die Prüfung erfolgt nur auf Einspruch. Absatz 2: Den Einspruch kann jeder Wahlberechtigte … einlegen.

KAPITEL 44
    A us dem Gefängnis entlassen zu werden folgte ziemlich genau der umgekehrten Prozedur, wie es zu betreten. Nur dass vor dem Tor kein Bus stand, sondern ein Auto, bei dem Bruce und Mutter auf ihn warteten.
    Als sie ihn umarmte, kam es Vincent seltsam vor, dass sie kleiner war als er: Wie lange war das schon so? Er wusste es nicht.
    Sie hatte

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