Ein König für Deutschland
davon bemerkt hatte! Es musste ein Monitoring-System auf Hardware-Ebene angeschlossen gewesen sein, das jeden Tastendruck protokolliert hatte!
»Nehmen Sie doch Platz«, sagte Miller und deutete auf den Stuhl. Er hatte dunkles, kurz geschnittenes Haar, Smith war eher aschblond, aber davon abgesehen wirkten sie in ihren teuer aussehenden anthrazitfarbenen Anzügen wie Zwillinge.
»Sie müssen das verstehen«, stammelte Vincent, während er auf den Sitz niedersank. »Ich wollte einfach nur … einfach nur an einen Computer, ab und zu wenigstens …« Wer waren die beiden? Was wurde hier gespielt? »Ja, vielleicht bin ich süchtig. Kann sein. Und ehrlich – wenn mich der Direktor nicht gerufen hätte, wäre nie was passiert! Es war bloß … nötig .« Nicht ganz das richtige Wort, aber ein anderes fiel ihm nicht ein.
Nun faltete Smith ebenfalls die Hände. »Der Kollege, den Sie spaßeshalber zum Toilettendienst versetzt haben, trotz seiner Allergie gegen Reinigungsmittel, liegt mit einem Lungenschaden in der Krankenstation. War das auch nötig? «
»Allergie?« Vincent schrumpfte in sich zusammen. »Das wusste ich nicht.«
Die beiden nickten in gruseliger Gleichzeitigkeit.
»Sie wissen Vieles nicht«, sagte Miller.
Vincent spürte den Impuls, ebenfalls die Hände zu falten, ließ es aber lieber. Nicht dass die beiden dachten, er wolle sich über sie lustig machen. Er legte die Handflächen auf seine Knie, und da würden sie bleiben.
»Und jetzt?«, fragte er.
»Ihre Entlassung ist für morgen vorgesehen«, sagte Smith. »Wir hätten gern, dass Sie danach mit uns zusammenarbeiten.«
»Das sähe so aus, dass Sie einen Auftrag bekommen, und wenn Sie den angemessen erfüllen, ist alles vergeben und vergessen«, erläuterte Miller.
»Sie können sich natürlich auch weigern«, meinte Smith. »Oder nur so tun als ob, Ihren Auftrag aber vernachlässigen oder gar vergessen: In dem Fall kriegen wir Sie. Und Sie kriegen dann ein neues Gerichtsverfahren, und da kommen Sie, das kann ich Ihnen jetzt schon versprechen, nicht mehr so glimpflich davon. Da sehen Sie die Sonne erst im Rentenalter wieder.«
»Wenn überhaupt«, fügte Miller hinzu.
Vincent starrte die beiden an. Der blockierte PC des Direktors war also eine Falle gewesen. Er hatte sich reinlegen lassen.
»Okay«, sagte er. »Was soll ich tun?«
***
»Interessante Situation«, überlegte Simon, während er die Sachen aus seinem Koffer wieder in den Schrank räumte. »Natürlich kann man es ›beschützen‹ nennen. Aber tatsächlich sind wir Gefangene.« Er blieb einen Moment stehen, blickte sinnierend vor sich hin, dann zuckte er mit den Schultern und machte weiter. »Na ja. Im Grunde ist das so. Niemand, der Leibwächter braucht, ist frei.«
Helene saß immer noch auf dem Bett, sah ihm zu und verstand nicht, wovon er redete.
Eigentlich verstand sie überhaupt nicht, was los war. Vorhin, der Moment am Fenster, mit all dem Jubel da draußen, den Fackeln, die geschwenkt wurden, den »Hurra!«-Rufen … das war großartig gewesen. Genauso, wie man sich das vorstellte. Aber jetzt? Wieso waren sie hier? Und wieso alleine, während unten die Party tobte? Ein Tablett mit Schnittchen, war das alles?
Und was hatte Alex damit gemeint, dass er den Umzug nach Berlin vorbereiten müsse? Berlin, klar, die deutsche Hauptstadt – aber er hatte geklungen, als wolle er allein dorthin gehen, ohne Simon, der doch der künftige König sein würde? Wieso?
Sie hatte einen Triumphzug erwartet. Eine Ansprache. Und dann …
Ja: Und dann? Wie ging so eine Thronbesteigung eigentlich vor sich? In ihrer Zeit als Redakteurin hatten nur zwei europäische Monarchen den Thron bestiegen, die ulkigerweise beide Albert II. hießen: König Albert II. von Belgien, der 1993 seinem kinderlosen Bruder Baudouin gefolgt war – damals war sie noch Tippse in der Abteilung Gartenarbeit und Kochrezepte gewesen und weit davon entfernt, zu einem derartigen Ereignis geschickt zu werden. Als 2005 Fürst Albert II. von Monaco an die Regierung gekommen war, war sie dagegen längst Leitende Chefredakteurinund damit selbst eine Art Königin im Konzern gewesen – und so eingespannt, dass sie jemand anders zur Inthronisation hatte schicken müssen. Was sie immer bereut hatte.
Aber was Simon anbelangte, gab es ja noch gar keinen Thron. Der musste erst geschaffen werden. Das machte die Angelegenheit natürlich komplizierter.
»Die ganze Sache ist außer Kontrolle geraten.« Simon verstaute seinen
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