Ein König für Deutschland
»DieGehäuse der Wahlgeräte bestehen aus Metall, sind ringsherum geschlossen. Das heißt, die EPROMs befinden sich im Inneren eines Faraday’schen Käfigs, der alle elektromagnetischen Wellen abschwächt. Es ist in meinen Augen zu bezweifeln, dass ein Signal von der Stärke eines normalen Radiosenders überhaupt ins Innere durchkäme. Um dieses … Umschaltsignal zu empfangen, bräuchte man eine Antenne, und die weist das Gerät nicht auf.«
Im Wagen auf dem Weg zum Flughafen Braunschweig-Wolfsburg, wo die Maschine der Flugbereitschaft darauf wartete, sie nach Berlin zurückzubringen, sagte Alex zu Root: »Also, wenn du mich fragst, war das, was Sirona uns erzählt hat, Quatsch. Es ist so, wie ich es die ganze Zeit gesagt habe: Die Wahl war überhaupt nicht manipuliert. Wir haben wirklich gewonnen. Aus Versehen, mag sein, aber gewonnen haben wir.«
Root ließ sich das durch den Kopf gehen. »Okay. Und was heißt das?«
»Dass wir das jetzt vollends durchziehen.« Alex sah aus dem Fenster, musterte die Bäume an der schnurgeraden Straße, die der Wagen entlangbretterte. »Wir lassen bloß das mit der neuen Verfassung bleiben. Das ist mir zu kompliziert. Und wer weiß, was da dazwischenkommt … Ich hab neulich mit einem Verfassungsrechtler telefoniert, der meint, dass wir auch mit einer Änderung des Grundgesetzes ziemlich weit kommen. Ein paar Sachen kriegen wir auf die Weise nicht hin – das mit den Bundesländern muss zum Beispiel so bleiben, wie es ist –, aber König statt Präsident, das sollte gehen.«
»Sag doch, wie es ist«, meinte Root. »Du willst einfach eine Krönung.«
»Genau«, meinte Alex und grinste düster. »Ich will eine Krönung und Schluss.«
***
Es war noch früh am Morgen, als Leo ein Fax brachte, eine Einladung an Simon und Helene, nach Berlin zu kommen, auf demBriefpapier des Bundeskanzleramtes geschrieben. Ich habe eine Überraschung für Sie , hatte Alex handschriftlich ergänzt.
So bestiegen sie am darauffolgenden Tag, begleitet von Leo und zweien seiner Kollegen, eine Maschine der Luftwaffe. Die Soldaten trugen piekfeine Uniformen, grüßten zackig und behandelten sie ausgesprochen ehrerbietig, wenn auch spürbar reserviert.
»Sie wissen nicht, was sie von dir halten sollen«, meinte Helene, als sie in der Luft waren und niemand von der Besatzung zuhörte.
Simon hob die Brauen. »Wieso sollten sie sich Gedanken über mich machen?«
»Weil Sie demnächst ihr Oberkommandierender sein werden«, sagte Leo.
»Wozu mich nichts befähigt.«
Leo hob die Schultern. »Es wird ja auch eher symbolisch sein.«
Das Flugzeug summte dahin. Simon sah aus dem Fenster, auf eine in herbstlichem Sonnenlicht liegende Landschaft und hingetupfte Wolken. Helene meinte nach einer Weile, es sei leiser als in einer gewöhnlichen Passagiermaschine, was Simon mangels einschlägiger Erfahrungen – er war seit Jahren nicht mehr geflogen – nicht beurteilen wollte. Auf jeden Fall, sagte er, sei sie komfortabler.
Er dachte immer noch über dieses Wort nach: Oberkommandierender . Das klang militärisch und war es auch, aber ließ man das außer Acht und betrachtete das Ganze im historischen Zusammenhang, dann war ein König nichts anderes.
»Haben Sie mal darüber nachgedacht«, wandte er sich an Leo, »was das eigentlich bedeutet: zu führen ? Was die Rolle des Anführers einer Gruppe ist?«
Leo hob fragend die Brauen. »Er ist derjenige, der die Richtung vorgibt. Er sagt, was zu tun ist, und das tun dann alle.«
»Und was befähigt ihn dazu?«
»Größere Klugheit? Weitsicht? Redegewandtheit? Überzeugungskraft?« Leo lächelte verschmitzt. »Alle die Eigenschaften, die Sie mal als die eines Königs beschrieben haben; erinnern Sie sich?«
Ach, richtig, an dem Abend bei Alex, in der Küche … Simon nickte, musste auch lächeln. Wenn sie damals geahnt hätten, wohin das alles führen sollte!
»Ich erinnere mich«, sagte Simon. »Das Königsheil . Sie müssen mir das nachsehen, als Lehrer ist man daran gewöhnt, dieselben Dinge wieder und wieder zu erzählen … Gut, das befähigt den Anführer. Aber was berechtigt ihn dazu, Anführer zu sein?«
Leo blinzelte, überlegte. »Ich weiß jetzt nicht, was Sie damit meinen.«
»Dass er hergeht und sagt, wir machen das und das – wieso lassen die anderen ihm das durchgehen?«
»Nun, letzten Endes kommt es ihnen ja zugute, oder?«
»Womit wir beim springenden Punkt wären.« Simon merkte, dass er den Zeigefinger gehoben hatte, ganz die dozierende
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