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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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jedoch mehrere Tage damit, die Webseiten der wichtigsten Abgeordneten und Senatoren der Demokratischen Partei zu studieren, bis er jemanden ausfindig gemacht hatte, der aussah, als würde er verstehen, worum es ging: einen Abgeordneten aus Chicago, Illinois, der jung genug war, um mit Computern, Internet und so weiter vertraut zu sein. Anschließendverfasste Vincent einen Bericht über die Ereignisse vor den Präsidentenwahlen im Jahr 2000, wobei er sorgfältig darauf achtete, keine Hinweise zu liefern, die auf SIT oder gar direkt auf ihn deuten konnten. Er richtete sich unter falschem Namen einen Mailaccount bei yahoo.com ein und machte sich dann auf die Suche nach einer öffentlichen Bücherei mit einem Internet-PC, den man benutzen konnte, ohne sich ausweisen zu müssen, und dessen CD-ROM-Laufwerk zugänglich war.
    Im Süden von Orlando wurde er fündig. Doch als er in der Bibliothek ankam, seine CD mit den nötigen Dateien in der Jackentasche und die E-Mail-Adresse des Abgeordneten im Notizbuch, lag neben dem PC ein Buch, dessen Anblick Vincent stutzen ließ. Dem Titel nach ging es darin um die NSA, die National Security Agency . Im nächsten Moment tauchte ein kaugummikauendes Mädchen auf, nahm das Buch mit einem »Sorry« an sich und verschwand wieder, aber Vincent kam es vor wie ein Omen. Sagte man nicht, diese Behörde überwache alle E-Mails, die über das Internet verschickt wurden 28 ? Ausnahmslos?
    Er blieb eine Weile reglos sitzen, starrte den PC an, und schließlich ging er wieder, ohne ihn angefasst zu haben.
    Auf der Rückfahrt hielt er an einem Schreibwarenladen und kaufte dicke, wattierte Briefumschläge, eine Packung zu vier Stück, weil es sie einzeln nicht gab. Zu Hause packte er den Bericht, die Beschreibung des Programms, die er damals erstellt hatte (natürlich ohne das SIT-Logo) sowie eine CD mit dem Programm selbst in einen der Umschläge und fuhr zur Post. Zur ganz gewöhnlichen Post. Snail-Mail . Es war ewig her, seit er das zum letzten Mal gemacht hatte.
    Ehe er den Umschlag in den Kasten fallen ließ, genoss er es einen Moment, das Weltherrschergefühl. Dieser Brief war Dynamit. Eine Bombe. Alles, was er jetzt noch zu tun hatte, war, zu warten, bis sie hochging.
    Doch die Tage vergingen, und nichts geschah. Wochen verstrichen, ohne dass in Washington ein Senator mit Beweisen oder einerAnklage vor die Kameras trat. Einen Monat später war immer noch nichts passiert. Die Bombe war ein Blindgänger gewesen.
    Vielleicht, überlegte Vincent, war das Ding verloren gegangen. Schließlich sagte man der amerikanischen Post nach, dass man von ihr weder Schnelligkeit noch Zuverlässigkeit erwarten durfte.
    Er suchte sich einen anderen demokratischen Abgeordneten und schickte noch einmal einen dicken Brief.
    Wieder ohne irgendwelche Reaktionen.
    Vielleicht, überlegte Vincent, gelangten anonyme Briefe an einen Abgeordneten gar nicht erst ans Ziel, sondern wurden vorsichtshalber vernichtet.
    Er probierte es mit einem Brief, der eine erfundene Absenderadresse trug. Und sicherheitshalber warf er ihn in einen anderen Briefkasten als die Briefe davor.
    Auch nichts. Es war, als seien alle Briefkästen Floridas direkt mit einer Müllverbrennungsanlage verbunden.
    Vincent gab das Vorhaben enttäuscht auf. Vielleicht, sagte er sich, überschätzte er das Interesse oder die Möglichkeiten der Demokraten, die Angelegenheit aufzuklären.
    Gut, dass er sich noch keine Katze zugelegt hatte.
    Kurz darauf bekam er über das Forum Kontakt zu ein paar Leuten, die für ein Projekt namens »Unversehrte Stimmzettel« 29 arbeiteten und eine aufregende Entdeckung gemacht hatten: einen Zugang zur Wählerdatenbank der Stadt Chicago, in der sich die persönlichen Daten von über 1,3 Millionen wahlberechtigten Bürgern befanden – Namen, Adressen, Geburtstage und Sozialversicherungsnummern, frei einsehbar für jedermann, der eine bestimmte Internetseite ansteuerte und eine banale, leicht zu umgehende Abfrage passierte.
    »Wir haben die Verantwortlichen schon vor Wochen darauf aufmerksam gemacht«, schrieb einer unter dem Namen ban_hava im Forum, »aber es ist nichts geschehen.«
    Vincent beschloss, dass dieses kleine Projekt ein geeigneteres Übungsfeld war, um erste Erfahrungen in Weltherrschaft zumachen, und schrieb: »Versucht doch, die Datenbank zu hacken. Spätestens wenn der Oberbürgermeister am 7. November nicht wählen darf, weil ihr seinen Status verändert habt, passiert was, jede Wette.«
    »Würden wir gern«,

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