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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sie.
    Worauf er ihr ein Bild von sich mailte. Eine Geste, die sie nicht erwiderte. Vielleicht treffen wir uns ja mal , meinte sie. Dann reicht es doch, wenn ich dich erkenne.
    Die Mails, die sie tauschten, wurden immer länger, immer persönlicher. Sirona hatte ihren Job verloren, als ihre Abteilung verkleinert und ins Ausland verlagert worden war; heute arbeitete sie bei einer Firma, die biometrische Erkennungssysteme entwickelte. Die geht aber bald pleite; Biometrie funktioniert einfach nicht , meinte sie. Sie diskutierten über Gott und die Welt – und über Computer, natürlich.
    Ich liebe Computer, stell dir vor , schrieb sie ihm, als er sie fragte, wieso sie sich eigentlich so vehement gegen Wahlmaschinen engagierte. Und es regt mich auf, wenn Typen das nicht verstehen wollen. Ich meine, schau dir Männer an – die lieben ihre Autos, ihre Motorräder, was weiß ich … und ihre Computer eben auch. Aber wenn manals Frau was in diese Richtung sagt, wird man angeguckt, als käme man von einem anderen Stern.
    Das klingt sympathisch , schrieb Vincent zurück, beantwortet aber die Frage nicht. Wenn du Computer liebst, müsste es dich doch freuen, sie auch in der Wahlkabine benutzen zu dürfen.
    Das hatte eine Flut langer Mails zur Folge. Gerade weil ich Computer liebe, regt es mich auf, wenn irgendwelche Typen glauben, dass sie sich die Demokratie mit ihrer Hilfe unter den Nagel reißen können. Was heißt aufregen? Es treibt mich zur Weißglut. Wir haben wenig genug zu sagen, wenn wir nur alle vier Jahre einen Stimmzettel ausfüllen dürfen – aber wenigstens diese eine Stimme sollte zählen!
    Ansonsten, erläuterte sie ausführlicher, als es Vincent lieb war, sei sie Anhänger des Schweizer Modells der direkten Demokratie. Man sehe ja, wohin das führe: Die Schweiz sei eines der reichsten Länder der Welt und sei noch nie in einen Krieg verwickelt gewesen.
    Sie fanden auch Dinge, über die sie einer Meinung waren. Dass auf eine gute Pizza Salami gehörte, aber nicht zu dick geschnitten. Dass »Underworld« der beste Film war, der je gedreht worden war. Sie besaßen beide die Filmmusik zu »Herr der Ringe«, das komplette Set, und liebten es beide, das beim Programmieren im Hintergrund laufen zu lassen. Vincent vertraute ihr an, dass sein Vater Deutscher war, dass er ihn allerdings nie getroffen hatte.
    Dass er es schade fand, dass sie so weit weg lebte, behielt er für sich.
    ***
    Das Problem aller, die sich gegen Wahlcomputer engagierten, war, dass sich die Presse für dieses Thema nicht sonderlich interessierte. Jedes schwangere Hollywoodsternchen fand mehr Beachtung als Demonstrationen, wie man einer Wahlmaschine nahezu beliebige Resultate entlocken konnte, wenn man wollte.
    »Die Hersteller sagen, es sei alles sicher: Und schon sind die Leute, die Wahlen durchführen, zufrieden«, schrieb ein gewisser alligator , laut Mitgliederprofil Systemadministrator einerTageszeitung in New York. »Wenn ich bei uns was gegen Wahlcomputer sage, machen alle bloß große Augen. Neulich hat einer gemeint, ich hätte vielleicht meinen Beruf verfehlt, wenn ich so denke. Da ist mir echt nichts mehr eingefallen.«
    »Wir haben eine Sicherheitsstudie veröffentlicht und in einer Pressekonferenz vorgestellt«, berichtete Tim , Mitglied einer anderen deutschen Gruppe, die sich Chaos Computer Club 27 nannte. »Die Studie ist praktisch eine Anleitung, wie man Wahlen fälscht – und alles, was die Journalisten dazu zu sagen hatten, war: Schön, aber bei echten Wahlen kommt das nicht vor. Ich weiß auch nicht, was wir noch machen sollen.«
    Vincent musste lächeln, als er das las. Tja, das war eben der Unterschied. Anders als die übrigen Mitglieder des Forums verfügte er nämlich durchaus über eine Möglichkeit, die Dinge zu beeinflussen.
    Immerhin war er der Mann, der Präsidenten machte, nicht wahr? Hatte das Programm geschrieben, mit dessen Hilfe George W. Bush ins Weiße Haus gekommen war. Möglicherweise zumindest.
    Das Schöne war, sagte er sich, dass er selber – wie es sich für einen mächtigen Strippenzieher gehörte – gar nicht viel würde tun müssen, um die Dinge ins Rollen zu bringen. Das würde jemand anderer übernehmen. Jemand, der nicht nur weitaus interessierter sein musste, die Hintergründe aufzuklären, sondern der auch über viel weitreichendere Möglichkeiten verfügte.
    Die Demokratische Partei nämlich.
    Er musste sich vielleicht tatsächlich endlich eine weiße Katze zulegen.
    Zunächst verbrachte er

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