Ein König für Deutschland
starrte den Teller nur an und begriff einfach nicht, was das sollte.
Es war auch schwer zu begreifen. Daheim in Philadelphia hatte Winter und Weihnachten immer etwas mit Schnee zu tun gehabt. Doch dieses Jahr erlebte Oviedo den wärmstenDezember seit Gründung der Stadt, mit an manchen Tagen hochsommerlichen, geradezu lähmenden Temperaturen.
So kam es, wie es kommen musste. Eines Nachmittags wankte Vincent aufs Klo, setzte sich auf die Schüssel – und schlief ein.
***
Er schreckte hoch von Schritten, Stimmen und klappernden Geräuschen. Er brauchte eine Weile, ehe er begriff, wo er sich befand und was los war: Er hockte auf der Kloschüssel, während Zantinis Freakpärchen Liegestühle auf der Veranda aufbaute, um es sich mit zwei Kisten Bier gemütlich zu machen. Anfang Januar! Und ausgerechnet unter dem Klappfenster der Toilette!
Himmel, war das peinlich! Auf keinen Fall wollte er, dass sie mitkriegten, wie er hier sein Geschäft verrichtete. Wobei das Wesentliche schon erledigt war und unter seinem Hintern seine Kreise im Wasser zog – aber er würde jetzt nicht spülen, nein, nie im Leben! Er würde hier sitzen bleiben und warten, bis die beiden wieder abzogen, und wenn es Stunden dauerte.
Das zischende Geräusch, mit dem eine Bierflasche geöffnet wurde. Und noch einmal. Und dann das Knarzen der Liegestühle, die es schon lange nicht mehr gewohnt waren, dass jemand auf ihnen Platz nahm.
Wer kam auf die Idee, sich kurz nach Weihnachten in die Sonne zu setzen, selbst wenn es sich um die Sonne Floridas handelte? Nur Freaks!
Vielleicht konnte er die beiden irgendwie weglocken. Er wischte sich den Hintern, den Türgriff anblickend. Quietschte die Tür? Er erinnerte sich nicht genau; solche lästigen Details des Alltagslebens pflegte er zu ignorieren, aber … Nein. Nein, er war sich ziemlich sicher, dass die Toilettentür in Ordnung war. Er konnte rausschleichen, die zwei mit irgendwas ablenken und dann, wenn sie weg waren, schnell ins Klo rennen und spülen. Ja, so würde er es machen, beschloss er.
Im selben Moment fing die Frau an zu reden. Furry. Ihre Stimme hatte etwas Laszives an sich, etwas … nun ja, Samtiges.Oder: Pelziges. Als wüchsen ihr auch Haare auf den Stimmbändern.
»Sag mal, der Junge … Der schreibt doch für Ben ein Computerprogramm, mit dem man Wahlen fälschen kann, oder? Hab ich doch richtig kapiert?«
»Hast du richtig kapiert.« Der Mann mit den tausend Tätowierungen redete so behäbig wie jemand, der es absolut nicht eilig und nichts vor hat und nur den Tag irgendwie rumkriegen muss.
»Okay. Also, ich hab mir das durch den Kopf gehen lassen –«
»Würd ich nicht. Das ist Bens Angelegenheit.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht ist es ganz schnell auch unsere Angelegenheit.«
»Wieso das denn?«
Furry wälzte sich in ihrem Liegestuhl herum, was diesen dazu veranlasste, jämmerlich zu quietschen. »Ich meine, bei der Sache ist doch wichtig, dass keiner rauskriegt, dass die Wahl ’n Schwindel war, oder? Denn wenn das rauskommt, tauschen sie die Geräte aus oder schaffen sie ganz ab und wählen noch mal, und das war’s dann.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Ich frag mich, ob Ben nicht denkt, dass er besser alle Mitwisser beseitigt. Den Jungen. Und uns.«
41 Dazu müssen die Stimmen natürlich zunächst anderswo abgelegt werden. In der Maschine stehen 16 Kilobyte RAM zur Verfügung, normaler Hauptspeicher, der für wesentlich komplexere Programme ausreichen würde als für simples Zählen von Stimmen (der niederländische Aktivist und Computerexperte Rop Gonggrijp hat zu Demonstrationszwecken ein einfaches Schachprogramm darin installiert), doch der einen entscheidenden Nachteil hat: Er ist flüchtig – d. h. wenn der Strom ausfällt, gehen alle darin gespeicherten Daten verloren.
Damit verbietet sich dieser Weg, wenn man das System manipulieren will: Es braucht nur am Wahlabend irgendwann kurz der Strom auszufallen, um den Schwindel auffliegen zu lassen. Eine Unterbrechung der Stromzufuhr würde dazu führen, dass das Programm die bisher abgegebenen Stimmen vergisst, und damit würden die Stimmenmodule bei Wahlende in der Summe weniger Stimmen enthalten, als Wähler gekommen sind (deren Anzahl aus der Wählerliste ermittelt und gemeldet wird, um die Wahlbeteiligung zu berechnen).
Auf der Platine des NEDAP befindet sich jedoch noch ein EEPROM-Chip. Das Doppel-E in der Bezeichnung steht für »electronic erasable«: Es handelt sich um einen
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