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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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wattierte Briefumschläge enthalten, und Zantini erinnerte sich, dass bei seinem letzten Besuch ein Umschlag darin gesteckt hatte. Ein Umschlag, der jetzt nicht mehr da war.
    Seine Stimmung sank. Hatte dieser vermaledeite Junge etwa vor, die CD per Post zu verschicken?
    Sein Blick huschte umher. Da, der Filzstift. Die Kappe saß locker, aber die Spitze war noch feucht. Es konnte nicht länger als eine halbe Stunde her sein, dass jemand damit geschrieben hatte.
    Zantinis Blick fiel auf ein kleines, gebundenes Büchlein, das zur Hälfte unter die Tastatur gerutscht war. Er legte einen Finger darauf, schob es sacht heraus. ADRESSEN stand auf dem Einband. Ein gewöhnliches Adressbüchlein, wie man es für ein paar Dollar in jedem Schreibwarenladen bekam.
    Vincents Adressbüchlein, wie ein vorsichtiger Blick auf die erste Seite bestätigte. Erstaunlich, dass sich ein Computerfachmann eines so konservativen Hilfsmittels bediente.
    Umso besser. Zantini lächelte. Gebundene Notizbücher, das wussten die wenigsten, hatten ein Gedächtnis. Und wenn man sie richtig behandelte, konnte man sie dazu bringen, sich zu erinnern.
    Er legte das Buch mit Bedacht auf seine flach ausgestreckte Hand, hob den oberen Deckel behutsam ab und blies leicht gegen die Seiten. Dabei neigte er zugleich die Hand, auf der das Notizbuch lag.
    Es öffnete sich – »wie von Zauberhand«, flüsterte Zantini dabei – an einer bestimmten Stelle. An der Stelle, an der es zuletzt für längere Zeit geöffnet gewesen war. Weil sein Besitzer eine Adresse daraus abgeschrieben hatte, wie man mit einigem Recht vermuten durfte.
    Es war die Seite mit dem Buchstaben K.

Teil II
Das Spiel

KAPITEL 13
    H err König!«
    Die Stimme der Volkers klang, wie sie immer klang: schrill, fordernd, ungeduldig. Simon verharrte in der Bewegung, mit der er gerade den Schlüssel in das Schloss des Briefkastens hatte stecken wollen, schloss kurz die Augen, zählte bis drei, atmete tief ein und richtete sich wieder auf.
    Da kam sie schon die Treppe herunter. Natürlich hatte sie laut genug gesprochen, dass das ganze Haus es mitbekam. Öffnete sich oben im vierten Stock nicht eine Tür? Bestimmt. Die alte Meckenstein liebte es, Streitigkeiten im Haus zu belauschen.
    Frau Volkers blieb auf der obersten Stufe der Treppe stehen, die Hand auf dem Handlauf ruhend, und sagte streng: »Wir müssen ein ernstes Wort miteinander sprechen.«
    Simon wusste, was jetzt kam. Es war immer das Gleiche.
    »Frau Volkers«, sagte er, »wir wechseln alle sechs Wochen ernste Worte miteinander. Ich nehme an, auch diesmal dreht es sich wieder um die Kehrwoche.«
    Die schwäbische Sitte der Kehrwoche! Was hieß da Sitte … ein religiöses Ritual war das, von seinen Anhängern mit einer glühenden Inbrunst verfolgt, die denen von Fanatikern gleich welcher Religion in nichts nachstand. Dass bis jetzt noch niemand Bomben gelegt hatte und noch nichts in die Luft gesprengt worden war, lag zweifellos nur daran, dass das viel Dreck gemacht hätte, und Dreck, Schmutz, überhaupt Verunreinigung jeder Art waren genau das, was es aus dem Universum zu tilgen galt, wenn am Samstagvormittag die Besen, Kehrwische und Putzlumpen geschwungen wurden.
    Simon König hatte das mit der Kehrwoche für einefolkloristische Anekdote gehalten, als er seinerzeit – wie lange war das her? Auch schon dreißig Jahre mittlerweile – von Berlin nach Stuttgart gezogen war, der Liebe wegen, deretwegen er auch all die List und Tücke aufgebracht hatte, die damals nötig gewesen war, eine Lehrerstelle an einem hiesigen Gymnasium zu ergattern.
    Einer seiner kleineren Irrtümer, wie sich herausgestellt hatte.
    »Ja, es tut mir leid, dass ich immer wieder davon anfangen muss«, sagte Frau Volkers, »aber sonst tut es ja keiner. Und ich muss Sie auch diesmal wieder darauf aufmerksam machen, dass Sie am Samstag den Keller nicht geputzt haben. Sie brauchen es nicht abzustreiten; ich habe es gesehen.«
    Simon König unterdrückte ein Seufzen, das beileibe nicht dem Umstand galt, sozusagen erwischt worden zu sein, sondern dem, dass sein freier Montagmorgen mit jedem Wortwechsel weiter auf unschöne Weise dahinschmolz. In diesem Schuljahr hatte ihm der Stundenplan das Geschenk beschert, montags erst nach der dritten Stunde anfangen zu müssen. Oben wartete ein schön gedeckter Frühstückstisch auf ihn, frisches Brot, noch warm aus dem Backautomaten, duftender Kaffee und so weiter, und er hatte einfach nur rasch die Zeitung und eventuell die Post

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