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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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durchfuhr ihn. Er hatte sein Adressbuch nicht dabei. Hatte es auf dem Tisch liegen lassen, nachdem er die Adresse auf den Briefumschlag geschrieben hatte. Hatte es noch mal rausgenommen und dann vergessen. Verdammt noch mal!
    Einen Moment lang erwog er ernsthaft, zurückzugehen und zu versuchen, es zu holen. Wahnsinn natürlich. Wenn sie ihn schnappten, würde er keine zweite Chance kriegen. Nein, weg war weg, Pech gehabt. Vincent setzte sich wieder in Bewegung.
    Aber auf der Flucht zu sein ohne eine einzige Adresse, eine einzige Telefonnummer? Irre.
    Es musste eben gehen. Irgendwie.
    ***
    Zantini fluchte den ganzen weiten Weg raus zum Lake Charm.
    »Wir haben alles gelassen, wie es ist«, versicherte Pictures eifrig. So, als sei die Sache damit grundsätzlich in Ordnung.
    Zantini sagte nichts, knurrte nur unwillig und ging an ihm vorbei in den Raum, in dem der junge Merrit gearbeitet hatte. Es stank nicht schlecht hier drin. Das Badezimmer schien der Bengel nicht oft benutzt zu haben. Computerfreaks; alle vom gleichen Schlag.
    Der Computer ratterte immer noch, mit ausgeschaltetem Bildschirm. Das Geräusch gefiel Zantini nicht. Er schaltete den Bildschirm ein und fand seine Befürchtungen bestätigt: ein Formatierungsprogramm, das über die Festplatte lief, zum vierten Mal inzwischen, wie ein Zähler unübersehbar verkündete. Er zog dem Kasten den Stecker raus, und Stille breitete sich aus, wenigstens das. Wenn schon die ganze Arbeit beim Teufel war.
    »Ich dachte, du hast die Fenster versiegelt?«
    Pictures nickte hastig. »Hab ich auch. Sind auch alle noch intakt. Ich versteh’s nicht. Er hätte an uns vorbeimüssen, um aus dem Haus zu kommen.«
    »Zauberei also?« Zantini sah sich um. Entfesselungstricks waren die Königsklasse der Bühnenmagie. Natürlich kannte er sie alle, auch wenn er im Verlauf seiner Karriere bedauerlich selten Gelegenheit gehabt hatte, einen davon vorzuführen, weil sie aufwendiger technischer Hilfsmittel bedurften. Welchen Trick hatte Vincent hier angewandt?
    Eigentlich kam nur einer von der Sorte in Frage, bei der der Künstler im geeigneten Moment durch eine Klappe im Boden verschwand, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Zantini betrachtete den Teppich, auf dem er stand. Der lag doch nicht richtig flach … Er zog ihn mit einem Ruck weg. Tatsächlich, eine Klappe. Sorgfältig gearbeitet, aber für das geschulte Auge natürlich sofort zu erkennen.
    Er hob die Klappe hoch. Darunter kam eine enge Röhre zum Vorschein, die längs des Hauses unter dem Boden verlief, wirklich und wahrhaftig. Gehörte so etwas neuerdings zur Grundausstattung?
    »Wahnsinn«, rief Pictures aus und steckte im Nu mit dem Oberkörper in der Öffnung.
    »Lass das!«, herrschte Zantini ihn an und packte ihn am Hemd. Er drückte ihm seinen Autoschlüssel in die Hand. »Nehmt meinen Wagen und sucht die Gegend ab. Er kann noch nicht weit sein.«
    »Okay. Alles klar«, stieß Pictures hervor und rannte los. Man hörte ihn nach seiner Freundin schreien, gleich darauf heulte ein Motor auf, und Reifen quietschten.
    Dann herrschte endlich Stille, und Zantini konnte sich konzentrieren.
    Die meisten mentalmagischen Tricks beruhen schlicht und einfach auf einer gut entwickelten Beobachtungsgabe, und Benito Zantini schmeichelte sich, es darin zu einer gewissen Meisterschaft gebracht zu haben. Freilich, sich mit verbundenen Augen von einem Zuschauer führen zu lassen, um zu erraten, unter welchem Sitz im Saal ein bestimmter Gegenstand versteckt lag – das war eine Sache. Einem Zimmer anzusehen, was sich darin zuletzt abgespielt hatte, war eine ganz andere, viel schwierigere.
    Vor allem, wenn darin so ein Saustall herrschte wie in diesem.
    Zantini schloss die Augen, belauschte das Zimmer, erspürte es, versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, wie es ausgesehen hatte, als er zuletzt hier gewesen war. Dann öffnete er die Augen wieder.
    Eine angebrochene Packung beschreibbarer CDs fiel ihm auf, die auf dem Drucker lag. Er beugte sich darüber. Jemand hatte die Plastikumhüllung rabiat aufgerissen; die Folienstücke standen steif ab, knisterten noch ein wenig: Es konnte nicht lange her sein, dass die eine CD, die fehlte, entnommen worden war.
    Also hatte Vincent eine Sicherung des Programms gemacht. Was hieß, dass die Software noch existierte. Wenn er sie rechtzeitig aufstöberte, konnte er den Zeitplan einhalten.
    Neben der CD-Packung lag eine Tüte, staubbedeckt und ihres Inhalts entleert. Der Aufschrift nach hatte sie

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