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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Faust Karriere gemacht, war heute ein großes Tier in einem der Zeitschriftenkonzerne, die jene unsäglichen Magazine herausgaben mit Fotoberichten über Prominente und Adlige und schreckliche Verbrechen; Publikationen, von denen es Simon schwerfiel zu glauben, dass Menschen sie tatsächlich lasen und auch noch Geld dafür bezahlten. Aber offenbar musste das der Fall sein; an dem Kiosk, den er täglich passierte, hingen sie jedenfalls alle aus, ein großes, buntes Mosaik aus scheußlichen Titelbildern mit schreienden, denkbar schwachsinnigen Überschriften.
    Es war angenehm, seinen täglichen Weg zur Arbeit zu Fuß zurücklegen zu können. Dafür nahm er auch in Kauf, in dieser Neubausiedlung zu leben, die inzwischen nicht mehr ganz so neu war, aber immer noch genauso scheußlich wie damals in den Siebzigern, als sie errichtet worden war … besser: als sichein Städteplaner darin verwirklicht hatte. Der anschließend nicht hier leben musste.
    Heute kulminierten in diesem Gebiet die sozialen Probleme, und Simon war nicht von der Überzeugung abzubringen, dass viel davon an der Architektur lag. Sie war es, die hier Zonen schuf, die Probleme geradezu einluden: dunkle Ecken, in denen dunkle Dinge passieren konnten, uneinsehbare Gassen, durch die abends niemand mehr zu gehen wagte … Zonen, die – Horror Vacui – böse Buben anzogen wie Magneten. Man fand in den harmlos aussehenden Büschen entlang der Wege regelmäßig gebrauchtes Drogenbesteck, Injektionsnadeln und leere Plastikbeutel, in denen die Polizei Überreste von Heroin feststellte. Hier, in dieser auf den ersten Blick so biederen Trabantenstadt!
    Die Sitten verkamen, das war einfach so. Und es war ja auch kein Wunder. Es gab niemanden mehr, der höhere Ideale hatte oder sie gar vorlebte. Vielleicht vom Papst abgesehen, aber das war ein bisschen wenig, mochte er ein Deutscher sein oder nicht. Zudem zeugte das, was dieser predigte, nicht von viel Erfahrung mit der Wirklichkeit modernen Lebens.
    Und natürlich die Medien. Das große Unglück Deutschlands war nach Simons fester Überzeugung die Einführung des Privatfernsehens gewesen. Seither sank das Niveau dessen, was ein Normalbürger an Informationen und Anschauungsmaterial konsumierte, geradezu in freiem Fall, dem sich zudem die öffentlichrechtlichen Sender mit Vollschub zu folgen bemühten. Was ihn vor nunmehr zehn Jahren dazu bewogen hatte, seine Glotzkiste abzumelden und auf den Sperrmüll zu stellen – ein Schritt, den er bis jetzt keinen Tag bereut hatte. Allenfalls bereute er, ihn nicht schon fünf Jahre früher getan zu haben.
    Das Fernsehen war heutzutage die große Konkurrenz der Schule und, wie man leider zugeben musste, auch die mächtigere. Fatal, denn was das Fernsehen vermittelte, war schlicht und einfach, dass es in Ordnung war, seine niedersten Triebe auszuleben. Greif dir, was du kriegen kannst, lass dich nicht erwischen, und tu alles, um Spaß zu haben, denn das ist das Wichtigste im Leben. So ungefähr. Bloß nicht langfristig denken, bloß keinen Plan für sein Lebenhaben, bloß keine ethischen Forderungen an sich selber stellen. Am besten überhaupt keine Forderungen, das taten andere schon zur Genüge. Forderung – das bloße Wort war heutzutage ein Synonym für Zumutung , wenn nicht gar für Terror . Welche Chancen hatte man da als Lehrer, seinen Schülern nahezubringen, dass ein gelungenes Leben etwas damit zu tun hatte, dass man sich in die Pflicht nahm? Ein Wort wie Disziplin mied man ohnehin besser, wenn man Lachanfälle im Klassenzimmer vermeiden wollte. Oder Selbstbeherrschung . Ordnung . Lauter so Lachnummern.
    Aber mit den Menschen begann eben alles, und es endete auch alles mit ihnen. Wenn man sich gehen ließ – und nichts anderes war es, was man beobachtete in der heutigen Gesellschaft; ein kollektives, lustvolles Sich-gehen-Lassen – dann endete das nie gut.
    Diese Erfahrung hatte Simon am eigenen Leib gemacht, nachdem Helene gegangen war. Er hatte sich ganz und gar gehen lassen, und es hatte am Ende nicht viel gefehlt, und er wäre restlos untergegangen. Nicht viel, und man hätte ihn eines Tages tot inmitten einer Müllkippe von Wohnung gefunden. Und es hatte keine sechs Monate gedauert, so tief zu sinken.
    Die Schule kam in Sicht. Auch so ein hässlicher Bau, ein Betonklotz in einem Stil, den man einmal für modern gehalten hatte, in einer Zeit, als es modern gewesen war, Erfahrungen und Werte früherer Generationen grundsätzlich über Bord zu werfen und zu

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