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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Lehrerhierarchie war sie nicht geeignet, zum Beispiel mehr als rudimentäre Benimmregeln zu vermitteln.
    »Darf ich dich heute einladen?«, fragte Bernd, als sie vor dem Speiseplan standen und es galt, sich zwischen Fleischkäse mit Kartoffelsalat und Spaghetti Bolognese zu entscheiden.
    Simon nickte. »Wieso das?« Er würde den Fleischkäse nehmen. Tomatensoße war immer ein unabschätzbares Risiko, wenn man ein weißes Hemd trug.
    »Zur Wiedergutmachung.«
    »Zur –?« Simon ächzte, als er begriff. »Nein. Nicht schon wieder. Sag, dass du nicht schon wieder –«
    »Die haben mich ausgetrickst«, versicherte Bernd ihm mit komischer Verzweiflung. »Ich war absolut entschlossen, dass ich mich nicht noch einmal verplappere, das musst du mir glauben! Aber gestern hatte ich davor eine Sprechstunde, die mich ganz konfus gemacht hat, und das haben diese Teufelsbraten ausgenutzt!«
    Seit Beginn des Schuljahrs wollte Simon in der 10A einen unangekündigten Test schreiben, aber bis jetzt war der jeweilige Termin – den er mit Bernd als Klassenlehrer abstimmen musste – jedes Mal durchgesickert. Wobei stets Bernd das Leck war.
    »Nichts für ungut, aber da gehört bei dir nicht viel dazu«, erwiderte Simon. Bernd war einfach niemand, der Geheimnisse für sich bewahren konnte.
    »Eine Woche später wäre noch ein Termin, ich habenachgeguckt.« Sie reihten sich in die Schlange ein. »Wenn du deinen Kalender dabeihast, könnten wir –«
    »Ach, weißt du, ich glaube, ich lasse es, solange du Klassenlehrer der 10A bist.« Simon nahm einen Vorspeisensalat. »Was war das denn für eine Sprechstunde?«
    »Einer meiner Abiturienten, Sebastian Traub, ist ein Ass in Fremdsprachen und möchte Dolmetscher werden. Was ich für die einzig richtige Berufswahl halte«, erzählte Bernd. »Nun war heute früh sein Vater bei mir, um mich wissen zu lassen, dass er darauf besteht, dass sein Sohn Medizin studiert. Die Spaghetti, bitte«, sagte er zu der weißbekittelten Frau auf der anderen Seite der Theke. »Dr. Traub, schon mal gehört? Bekannter Kardiologe. Spielt Golf mit dem Ministerpräsidenten, isst mit dem Oberbürgermeister zu Mittag und so weiter. Sein Vater, sein Großvater, alles Ärzte, Familientradition, jadda jadda jadda .«
    »Verstehe. Also geht es jetzt darum, dem Jungen den Rücken zu stärken, seine eigene Entscheidung zu treffen«, sagte Simon und deutete auf den Fleischkäse. »Mit wenig Kartoffelsalat, bitte.«
    »Der Fall liegt ein bisschen schwieriger«, erklärte Bernd, als sie ihre Tabletts durch die Tischreihen balancierten, hin zu dem für die Lehrer reservierten Bereich. »Dr. Traub erwartet, dass wir in seinem Sinne auf Sebastian einwirken. Wir, das ist die Schule, alle Lehrer, du, ich, der Rektor, die Putzfrau – so stellt er sich das vor.«
    »Muss uns interessieren, was Dr. Traub sich vorstellt?«
    »Ich fürchte, ja. Denn Dr. Traub ist seit März Vorsitzender des Fördervereins, einer der größten Spender und derjenige, der die meisten Firmenspenden eintreibt.«
    Simon stellte sein Tablett heftiger ab als beabsichtigt. »Er erpresst uns?«
    Bernd hob die Schultern. »Du weißt, wie wichtig der Förderverein geworden ist. Ohne ihn bricht der Schulbetrieb zusammen, so einfach ist das.« Er schüttelte betrübt den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Zum ersten Mal seit Jahren bedaure ich es, der Kontaktmann zum Förderverein zu sein.«
    Simon malträtierte seinen Fleischkäse voller Ingrimm,obwohl der nichts dafürkonnte. »Da läuft etwas ganz gewaltig aus dem Ruder«, sagte er. »Wieso kann er uns erpressen? Weil mit den bewilligten Mitteln nicht auszukommen ist, ich weiß. Die Frage ist, warum wird uns nicht bewilligt, was wir brauchen?«
    »Weil der Staat kein Geld mehr hat«, erwiderte Bernd. »Ist doch überall so.«
    »Das erzählt man uns dauernd. Aber wo ist das ganze Geld?«
    »Was für Geld?«
    Simon richtete die Spitze seiner Gabel auf ihn. »Es ist ständig von Wirtschaftswachstum die Rede, oder etwa nicht?«
    »Ja, aber nie, ohne dass es heißt, es sei nicht genug .«
    »Wann haben Leute schon mal von irgendwas genug? Nein, egal, ob ein oder zwei Prozent, auf jeden Fall haben wir Wachstum, und das, während die Bevölkerung schrumpft. Nach Adam Riese müsste das heißen, dass wir immer wohlhabender werden, oder?«
    Bernd seufzte. »Du, ich weiß schon, warum ich nicht Mathematik studiert hab damals. Das war nie mein Ding.«
    »Ich rede nicht von Mathematik, ich rede von gesundem

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