Ein König für San Rinaldi
arrangiert gewesen, und er löste sie einfach. Es war allerdings eine lehrreiche Lektion in Sachen Frauen gewesen. Seit dieser Erfahrung wahrte er eine gewisse innere Distanz.
Er misstraute Frauen, weil sie logen, wann immer es ihnen passte. Ihre Küsse und Liebesschwüre waren falsch. Vor allem schwindelten sie, was ihre Treue betraf. Auch das hatte Kadir am eigenen Leib erfahren.
Besonders zornig machte ihn nun, dass er trotz seiner Erlebnisse und seines Wissens vorhin dem Begehren nachgegeben und die Masseurin geliebt hatte. Weshalb passierte ausgerechnet ihm so etwas? War sein Verlangen, die Frau zu besitzen, stärker als alles andere gewesen? Was für ein Unsinn, sagte er sich selbst. Sie hatte sich an ihn herangemacht, und er hatte sie sich genommen. Blind vor Erregung, hatte er sich nicht zurückhalten können.
Es war eine Verirrung, weiter nichts, und es bedeutete gar nichts. Über diesen Vorfall breitete sich der Mantel des Vergessens wie der Wüstensand über ein verlassenes Beduinenlager.
Nachdenklich betrachtete Kadir das Amulett in seiner Hand. Als seine Mutter es ihm gereicht hatte, war es warm gewesen. Schloss er die Augen, glaubte er, auch jetzt noch einen Hauch dieser Wärme zu spüren.
Als kleiner Junge hatte er seine Mutter für die schönste und beste Frau auf der ganzen Welt gehalten. Sie hatte ihn über alles geliebt und verwöhnt. Das hatte sie allerdings nicht davon abgehalten, ihm die Wahrheit über seine Herkunft zu verschweigen.
Indem sie ihm das Amulett anvertraute, hatte sie vielleicht eine romantische Idee wahren wollen. Vielleicht war seine Mutter der Vorstellung erlegen, dass er auf San Rinaldi auftauchte, barfuß und von einer langen, einsamen und anstrengenden Odyssee erschöpft. Sein Vater würde ihn mit Freudentränen in den Augen begrüßen. Nein, das Leben sah anders aus.
Kadir trat keine Reise wie der legendäre Odysseus an. Stattdessen ließ er König Giorgio über die entsprechenden diplomatischen Kontakte ausrichten, dass er unbedingt mit ihm persönlich in Verbindung treten musste.
Dem folgten zahlreiche Briefe, Telefonate und E-Mails von den Hofbeamten, die mit der modernen Technik vertraut waren und sie bevorzugten. Der nächste Schritt bestand in einem DNA-Test, der die Angaben von Kadirs Mutter bestätigte. Das alles lief ab, ohne dass Kadir und König Giorgio auch nur ein einziges Wort miteinander gewechselt hatten. Weder wusste er, wie sein Vater aussah, noch hatte Kadir jemals seine Stimme gehört.
Er machte sich nichts vor. Mit Sicherheit hatte nur das Ergebnis des DNA-Tests den König bewogen, dem ungewollten Sohn den Thron von San Rinaldi anzubieten. Mit Gefühlen hatte das nichts zu tun.
Als Nächstes hatte Kadir dafür gesorgt, dass sein Bruder bereitwillig die Herrschaft über Hadiya übernahm. Im Laufe der weiteren Verhandlungen mit dem Palast auf San Rinaldi hatte Kadir seine Bedenken vorgebracht. Ihm ging es dabei vor allem um die Frage, ob ihn das Volk von San Rinaldi als Herrscher anerkennen würde. König Giorgio schlug daraufhin eine arrangierte Ehe mit einer aus San Rinaldi stammenden Frau vor, einer anerkannten und beliebten Persönlichkeit, die vom Volk bereitwillig als Königin akzeptiert werden würde.
In der arabischen Kultur gab es das Recht des Erstgeborenen nicht. Ein Mann erkämpfte sich innerhalb der Familie seinen Weg nach oben, setzte dabei Fähigkeiten wie Stärken ein und heiratete möglichst nutzbringend. Weil ihm diese Ansichten vertraut waren, hatte Kadir kein Problem damit, dass seine zukünftige Ehefrau die Tochter eines renommierten Winzers war. Durch diese Herkunft verfügte seine Zukünftige über einen viel besseren Kontakt zur Bevölkerung, als eine noch so hohe adelige Abstammung gewährleistete.
Alles war vorbereitet, damit er am Wochenende von Hadiya direkt nach San Rinaldi fliegen konnte. Kadir musste vorher nur noch ein Detail regeln: das Problem mit dem Bankkonto seiner Mutter in Venedig. Außerdem wollte er einige Geschäftsbeziehungen klären, die seine Mutter in der Lagunenstadt unterhalten hatte. Darum war Kadir zuerst hierher geflogen. Völlig unerwartet hatte sich dann die alte Verletzung vom Polo bemerkbar gemacht. Deshalb war er in diesem Hotel abgestiegen, das wegen seiner Wellnessangebote bei international bekannten Sportlern und Sportlerinnen äußerst beliebt war.
Gleich morgen früh sollte ihn ein Privatjet nach San Rinaldi bringen. Der König hatte wiederholt darauf bestanden, dass keine
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