Ein König für San Rinaldi
Fierezza-Familie gehörte. Jetzt wollte er herausfinden, ob er damit besser zurechtkam als mit dem Vertrauten.
Es bestand die Möglichkeit, dass er sich in seiner neuen Rolle unwohl fühlte und nicht in König Giorgios Welt leben wollte. In Hadiya hatte er sich oft getrieben und sogar fremd gefühlt. Was sollte er machen, wenn sich für ihn auf San Rinaldi grundsätzlich nichts änderte? Wahrscheinlich blieb ihm nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden.
Mit vierzig Jahren suchte er sich nicht mehr wie ein Jugendlicher, der seinen Weg im Leben erst finden musste. San Rinaldi bot ihm die Chance, viel mehr zu erreichen, als ihm als Herrscher über Hadiya möglich gewesen wäre. Abgesehen davon war es ohnehin zu spät. Er hatte seinem Bruder Ahmed versprochen, ihn zu unterstützen, wenn er Hadiyas neuer Herrscher wurde. Und seinem ihm bisher noch fremden Vater gegenüber hatte Kadir sich verpflichtet, der nächste König von San Rinaldi zu werden.
Möglicherweise veränderte sich sein Leben nun zum Positiven. Trotzdem fühlte Kadir sich hintergangen, weil seine Mutter ihm jahrzehntelang etwas so Wichtiges verschwiegen hatte.
Um Verständnis und um Verzeihung hatte sie ihn gebeten. Als sie König Giorgio kennengelernt hatte, war sie bereits ihrem zukünftigen Ehemann versprochen gewesen. Auf der Rückreise nach Hadiya hatte sie einen Zwischenhalt auf San Rinaldi eingelegt. Dabei war es zu einer leidenschaftlichen und sehr kurzen Affäre gekommen. Kurz darauf hatte Kadirs Mutter geheiratet, ohne zu ahnen, dass sie von König Giorgio ein Kind erwartete.
„Warum erzählst du mir das alles jetzt?“, hatte Kadir seine Mutter gefragt. „Wieso ausgerechnet jetzt, nachdem du es all die Jahre über nicht für nötig gehalten hast?“
„Ich habe aus Angst um dich geschwiegen. Alle haben dich für den legitimen Erben des Scheichtums gehalten. Das konnte ich dir nicht wegnehmen. Aber jetzt geht mein Leben zu Ende, mein Sohn, und ich habe dich in den Wochen seit dem Tod deines Onkels beobachtet.“
Prinzessin Amira seufzte schwer. „Ich weiß, dass du bereit bist, die Verantwortung für Hadiya zu übernehmen. Aber du bist nicht von ganzem Herzen davon überzeugt. Du wolltest schon immer die Fesseln abstreifen, die dir unser kleines Land anlegt. Dein Bruder dagegen wäre mit dem Leben hier zufrieden. Er würde sich auf die Einnahmen aus unseren Ölgeschäften stützen und auf die Ratgeber des Herrschers hören. Du hingegen würdest dich nie nach den Wünschen anderer richten.“
Seine Mutter zeigte ihm ein kleines goldenes Amulett, das schon sehr alt war.
„Das habe ich von König Giorgio erhalten“, sagte sie leise. „Ich möchte, dass du es ihm persönlich zurückgibst. Während all der Jahre habe ich die Geschehnisse in San Rinaldi über die Medien verfolgt. Daher weiß ich, dass König Giorgio dringend einen Erben sucht. Die direkten männlichen Nachkommen können die Königswürde aus verschiedenen Gründen nicht annehmen. Kadir, du bist sein Sohn. Daher ist dein Platz auf San Rinaldi und nicht hier in Hadiya, wo du dich nie wirklich heimisch gefühlt hast.“
Nachdem sie ihm das Amulett in die Hand gedrückt hatte, sah Prinzessin Amira ihren Sohn flehend an.
„Du hast es versucht“, räumte sie ein, „aber ich habe oft gemerkt, wie wenig du den Sitten und Bräuche dieses Landes abgewinnen kannst. Du wünschst dir ein anderes Leben. Sicher, du wickelst deine Geschäfte hier erfolgreich ab und respektierst die Art, wie die Menschen in Hadiya handeln. Trotzdem ist es dir nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Du würdest mit der direkten Art der Europäer besser zurechtkommen.“
„Wenn du damit meinst“, erwiderte er, „dass es mir nicht gefällt, die Reichen zu bestechen, während die Armen leer ausgehen, so hast du recht. Das passt mir tatsächlich nicht.“
Drei Tage nach diesem Gespräch war seine Mutter gestorben. Sein sanftmütiger Bruder begriff nicht, warum Kadir nicht um sie weinen konnte.
Frauen! Kein Mann bei klarem Verstand vertraute jemals einer Frau. Schon früh hatte Kadir erfahren, wie hinterhältig sie waren. Gerade achtzehn Jahre alt, hatte er durch einen dummen Zufall herausgefunden, dass die von der Familie für ihn ausgewählte Braut alles andere als eine süße unschuldige Jungfrau gewesen war. Stattdessen hatte sie seit über einem Jahr eine Affäre mit einem verheirateten Cousin.
Es brach Kadir nicht das Herz, als er ihr auf die Schliche kam. Die Verlobung war
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