Ein König für San Rinaldi
mit einer Fremden nicht infrage, erst recht mit keiner Angestellten. Das war undenkbar.
Normalerweise verlor er nie die Beherrschung, sondern konnte sein Verlangen sogar sehr gut kontrollieren. Diese Masseurin war nicht einmal sein Typ gewesen. Er bevorzugte zierliche Frauen, keine sinnlichen Amazonen mit üppigen Rundungen und unverhohlenem erotischen Verlangen. Trotzdem hatte er seinen sinnlichen Wünschen nachgegeben und den Verstand dabei sozusagen ausgeschaltet.
Nun, es durfte sich nicht wiederholen, weder mit dieser noch mit einer anderen Frau.
Auf keinen Fall wollte Kadir zu den Regenten gehören, die sich nach außen hin als ein Vorbild an Moral und Anstand präsentierten, insgeheim aber jedem erdenklichen Laster erlagen. Ohne nachzudenken, mit jeder x-Beliebigen ins Bett zu steigen, so ein Verhalten hatte er schon immer verurteilt. Natürlich hatte er Frauen gehabt. Vor allem als er noch professionell Polo gespielt hatte. Das lag jedoch längst hinter ihm. In den letzten Jahren war er insgesamt mit einigen wenigen zusammen gewesen. Seine letzte Geliebte hieß Zahra.
Er hatte Zahra schon lange gekannt. Ein Liebespaar waren sie aber erst nach dem Tod ihres Mannes geworden. Aus Kadirs Sicht war die Beziehung sehr angenehm verlaufen. Er mochte praktische Arrangements, bei denen Gefühle keine Rolle spielten. Eine Geliebte, die ihn mit Liebe und allem, was dazugehörte, überschüttete und förmlich erstickte, wollte er ganz sicher nicht. Das Gleiche galt für die Frau, die er bald heiraten würde.
Nach Venedig hatten ihn Geschäfte und die Regelung des Nachlasses seiner Mutter geführt. Jetzt war Kadir froh, dass er bei der Hotelbuchung automatisch den Namen angegeben hatte, den er in seiner Zeit als Polospieler benutzt hatte.
Wenn er über König Giorgio richtig informiert war, hatte sein Vater ein abwechslungsreiches Liebesleben hinter sich. Trotzdem legte der König strenge Maßstäbe an, wenn es um das Verhalten der Familienmitglieder ging – das galt ganz besonders für seinen Erben. So verlangte es das Gesetz von San Rinaldi.
Kadir runzelte die Stirn. Sollte diese Masseurin seine wahre Identität entdecken und ihr Wissen einsetzen, um Profit daraus zu schlagen … Dann musste er sich womöglich vor seinem Vater rechtfertigen. Diese Aussicht gefiel Kadir überhaupt nicht. Er hätte sich niemals in diese Lage bringen dürfen! Und dann auch noch mit einer Masseurin! Sie verkörperte das genaue Gegenteil von allem, was er von einer Frau erwartete.
Zum Glück war ein Kondom griffbereit gewesen, sonst hätte er bestimmt aufgehört. Etwas anderes wäre nicht infrage gekommen. Immerhin trug er Verantwortung, für sich und für die Frau, die er heiraten sollte. Hätte er sich tatsächlich zurückhalten können? Zorn wallte in ihm auf. Entschieden erstickte Kadir alle Zweifel und verbot sich, sein Verhalten weiter zu hinterfragen.
Zu spät wünschte er sich, nie hierhergekommen zu sein. Seine Mutter hatte Venedig geliebt. Ihr, die in der Wüste gelebt hatte, war eine Stadt mitten im Wasser wie ein wahres Wunder erschienen.
Bitterkeit ergriff von Kadir Besitz. Er hatte geglaubt, seine Mutter zu kennen. Nie hatte er in Zweifel gezogen, dass sie sich nahestanden. Letzten Endes stand nun fest: Er hatte sich etwas vorgemacht. Denn sein Leben lang hatte sie ihn getäuscht. Erst als die schwere Krankheit ihren Willen besiegte, hatte seine Mutter ihm die Wahrheit gesagt. Mit dem, was er dann erfuhr, hatte Kadir niemals gerechnet. Der Mann, den er stets für seinen Vater gehalten hatte, war in Wirklichkeit nicht mit ihm blutsverwandt. Seine Mutter hatte das Schweigen über ihre Affäre mit einem Europäer am Ende gebrochen.
Es handelte sich allerdings nicht um irgendeinen Europäer, sondern um König Giorgio von San Rinaldi, derzeitiges Oberhaupt einer der reichsten Adelsfamilien der Welt.
Geld spielte für Kadir bei dieser Angelegenheit keine Rolle. Er hatte von seinem Großvater mütterlicherseits ein beträchtliches Vermögen geerbt. Damit hatte Kadir noch vor seinem dreißigsten Geburtstag ein milliardenschweres Wirtschaftsimperium errichtet. Diesen Erfolg verdankte er einerseits seinem unternehmerischen Geschick und andererseits seiner Kenntnis des Finanzmarkts.
Auf König Giorgios Vermögen war er nicht angewiesen. Genauso wenig legte er Wert auf den Titel, den er von seinem leiblichen Vater erben würde. Kadir ging es um etwas anderes. Die Enthüllungen seiner Mutter hatten offenbart, dass er zur
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