Ein König für San Rinaldi
offiziellen Bekanntgabe der Verlobung tragen werden, liegt bereit.“
Natalia wollte eine Frage einwerfen, kam aber nicht dazu.
„Außerdem komme ich zu Ihnen, bevor Sie sich auf den Weg zum Audienzraum machen“, fuhr die Gräfin fort. „Ich werde dafür sorgen, dass alles in Ordnung ist. Und ich soll Sie darüber in Kenntnis setzen, dass Ihnen der König draußen auf dem Balkon Juwelen überreichen wird, die Königin Sophia gehört haben. Sie werden diesen Schmuck selbstverständlich während des Empfangs tragen, der nach dem Auftritt auf dem Balkon stattfindet. Hinterher werden Sie mir die Juwelen aushändigen, damit sie wieder sorgfältig verwahrt werden.“
Eine neue Garderobe und Juwelen aus dem Schatz der Königsfamilie. Mit alldem hätte Natalia rechnen müssen. Trotzdem fühlte sie sich überrumpelt. Das formelle Prozedere erschien ihr völlig überholt und unnötig.
Sie kannte Fotos, die die Juwelen König Giorgios zweiter Frau abbildeten. Entsetzt schauderte Natalia bei der Vorstellung, ähnlich schweren Schmuck tragen zu müssen. So etwas widerstrebte ihr zutiefst. Wie überzeugend sollte sie den weniger Begüterten helfen, wenn sie gleichzeitig unermesslichen Reichtum zur Schau stellte?
Insgeheim träumte Natalia davon, ihren Ehemann im Laufe der Zeit dazu zu bringen, den sagenhaften Reichtum mit anderen zu teilen. Dabei dachte sie nicht nur an das Volk von San Rinaldi, sondern an alle bedürftigen Menschen auf der Welt. Ausreichende medizinische Versorgung für möglichst viele, das gehörte zu den grundlegenden Veränderungen, die Natalia in die Wege leiten wollte. Das war die Belohnung, die sie für das Amt der Königin haben wollte. Um Diamantketten und kostbare Ringe ging es ihr nicht.
„Ich verlasse Sie jetzt“, erklärte die Gräfin, „damit Sie sich für den morgigen Tag ausruhen und vorbereiten können.“
In Natalias Ohren klang das geradezu, als stünde ihr morgen der Gang zum Schafott bevor. Und in gewisser Weise war es fast so. Die Heirat mit Prinz Kadir stellte das Ende ihres bisherigen und den Anfang ihres neuen Lebens dar. In erster Linie bedeutete das: Anders als jede moderne alleinstehende Frau konnte sich Natalia künftig nicht einmal einen kleinen Flirt leisten. Aber wieso dachte sie jetzt ausgerechnet daran? Hoffentlich hatte das nichts mit dem Erlebnis in Venedig zu tun.
„Falls Sie noch etwas wünschen“, sagte die Gräfin noch, „wenn Sie eine Stärkung brauchen oder vielleicht ein Buch lesen möchten, wird sich eines der Mädchen darum kümmern.“
Sie sollte sich bedienen lassen? Warum durfte sie nicht in die Stadt fahren und sich kaufen, was sie brauchte? Sofort besann Natalia sich eines Besseren. Allmählich musste sie sich an ihren neuen Status gewöhnen. Natürlich war sie nicht mehr so unabhängig wie früher. Höflich bedankte sie sich bei der Gräfin und wartete darauf, dass sie endlich ging.
Trotz aller vernünftiger Überlegungen fühlte sie sich an diesem Abend noch wie die ungebundene, selbstständige Natalia Carini.
Die drei jungen Frauen reagierten sichtlich erleichtert, als Natalia sie wegschickte. Sie war ihrerseits auch froh. Endlich allein. Zumindest hatte sie die neuen Räume nun ganz für sich.
Wer diesen Flügel des Palastes wohl früher bewohnt hatte? Der große Salon war blitzsauber, im Licht der Kronleuchter schimmerten die Oberflächen der wunderschön verzierten Möbel mit den kostbaren Einlegearbeiten. Trotzdem wirkte alles unbenutzt und verströmte einen Hauch von Melancholie.
Die schweren Vorhänge aus Seidenbrokat ließen kein Licht durch. Die vergoldeten Stühle und Sofas waren mit dem gleichen Stoff bespannt. Auch wenn sie die Vorhänge nicht besonders mochte, die Farbe gefiel Natalia. Das Türkis erinnerte sie an die See und traf fast ihre Augenfarbe. Dieser Stoff war vermutlich ausgesucht worden, weil man durch die Fenster aufs Meer hinausblicken konnte.
Das Muster der Stuckdecke wiederholte sich im Teppich. Über dem Kamin hing ein Spiegel, der in einen vergoldeten Rahmen gefasst worden war. Die Anordnung der exquisiten Antiquitäten verlieh dem Raum eine besondere Eleganz.
Die eine Flügeltür führte auf den Korridor. Also gelangte man durch die andere bestimmt ins Schlafzimmer.
Hier war alles wunderschön, aber Natalia betrachtete es nicht als ihr Zuhause. Sie bevorzugte schlichtes modernes Design und natürliche Stoffe. Beim Einkaufen achtete sie immer darauf, umweltfreundliche Produkte zu wählen. Und ihr war
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