Ein König für San Rinaldi
ausweichen konnte. Die langen Fingernägel waren blutrot lackiert.
„Haben Sie mich verstanden?“, zischte Zahra. „Ist Ihnen das klar?“
Ohne darauf zu warten, dass Zahra losließ, stand Natalia entschlossen auf. „Mir ist nur klar, dass ich zu einem Termin zu spät komme, wenn ich mich jetzt nicht vorbereite“, entgegnete sie so lässig wie möglich.
Zahra hatte nur Unsinn von sich gegeben. Natalia war eine reife Frau und kein albernes junges Mädchen, das sich in Kadir verlieben würde. Sie war nicht einmal davon überzeugt, dass wahrhaft romantische Liebesbeziehungen existierten. Und selbst wenn es sie gab, brauchte ein Paar für ein gemeinsames Leben wesentlich mehr. Dafür genügte es nicht, sich ineinander zu verlieben.
Es kam darauf an, dass zwei Menschen dieselben Überzeugungen, Interessen, Pflichten und Ziele teilten. Zu einer langen und glücklichen Beziehung gehörte natürlich auch Leidenschaft. Aber die konnte vergehen. Gegenseitiges Verlangen war keine verlässliche Basis.
„Ich will mit dir sprechen.“
„Aber ich nicht mit dir“, erwiderte Natalia scharf, als Kadir ihr in ihre Privatgemächer folgte. Mit einem Kopfnicken entließ sie die wartenden Zofen.
„Das hast du heute deutlich gezeigt“, entgegnete Kadir gereizt und schlug die Tür zu, sobald sich die Zofen hastig entfernt hatten.
Nun waren sie in dem nur gedämpft erleuchteten Raum allein.
Während sie von den Wagen in den Palast und zu ihren Zimmern gegangen waren, hatte sich die Dunkelheit vollends über das Land gesenkt. Sie kamen vom letzten offiziellen Auftritt an diesem Tag. An der Eröffnungsfeier eines neuen Einkaufszentrums hatten sie, Kadirs Bruder mit seiner Frau und die ganze Familie teilgenommen.
Die Glastüren zum Innenhof standen offen. Natalia blieb stehen und atmete die nach Rosen duftende kühle Luft tief ein. In der Limousine, mit der sie in die Stadt gefahren waren, hatte der Geruch von Zahras schwerem orientalischen Parfum gehangen. Als Kadir neben sie trat, nahm Natalia wieder den unangenehmen Duft wahr.
„Was hätte ich denn sagen sollen?“, fragte sie herausfordernd. „Deine Geliebte hat mich immer wieder unterbrochen oder ist mir zuvorgekommen. Ich bin ja gar nicht zu Wort gekommen.“
Sie dachte gar nicht daran, Kadir zu zeigen, wie sehr Zahras Verhalten sie verletzte und demütigte. Genauso verschwieg Natalia, was ihr noch auf dem Herzen lag. Gern hätte sie die Kinder bei der Eröffnungsfeier in der Landessprache begrüßt. Leider hatte sich keine Gelegenheit dazu ergeben, auch wenn Natalia extra einige Worte Arabisch gelernt hatte.
Wenn sie Kadir zeigte, was in ihr vorging, hätte sie nur Zahras Behauptung bestätigt. Aber er konnte Natalia nicht verletzen. Nicht im Geringsten! Jetzt nicht und niemals.
In dieser Hinsicht unterschied sie sich von Zahra. Wenn es jedoch um Natalia als Ehefrau des Kronprinzen von San Rinaldi ging, prallte durchaus nicht alles an ihr ab. In Zukunft wollte sie sich nicht mehr von Zahra so demütigen lassen wie heute. Denn das war Natalia San Rinaldi schuldig.
„Wieso redest du über Zahra?“, fragte Kadir zornig. „Sie hat nichts damit zu tun.“ Ihn hatte sehr überrascht, dass Zahra sich aufführte, als wären sie immer noch ein Liebespaar. Sehr bald musste er mit ihr darüber sprechen und sie an die Fakten erinnern. Die Beziehung war endgültig beendet.
„Sie hat sogar viel damit zu tun“, widersprach Natalia.
„Du glaubst wohl, dass es nur mich beleidigt, wenn du mir deine Geliebte als offizielle Begleiterin in Hadiya aufdrängst. Du irrst dich aber. Damit beleidigst du auch die Krone von San Rinaldi. Die Geliebte höherzustellen als deine Ehefrau! Das wollte König Giorgio bestimmt nicht, als er darauf drängte, dass ich dich hierher begleite.“
„Du wagst es, mein Verhalten zu kritisieren?“, entgegnete Kadir empört. „Du wagst es, meine Entscheidungen in Belangen des Protokolls und der Diplomatie infrage zu stellen? Und warum denkst du überhaupt, Zahra ist meine Geliebte?“
„Das ist doch keine Frage, Kadir! Zahra hat mir heute Morgen sehr überzeugend klargemacht, wie ihr zueinander steht. Deine Geliebte nimmt sich viel heraus. Sie stützt sich auf ihren reichen Erfahrungsschatz und will mir Tipps geben, wie ich mich als die Frau an deiner Seite am besten verhalte. Außerdem berät sie mich darin, wie ich einen guten Eindruck auf dich und das Volk von Hadiya mache!“
Natalia warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu, bevor sie
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