Ein König wird beseitigt
schmerzlichen Abschiede sich von demselben abwende. –
Seit der Entlassung des Herrn Ministerialrathes von Ziegler, damaligen Kabinetssekretärs, des letzten Mannes von Bildung, (conf. v. Ziegler 20) mit welchem Seine Majestät einen fortlaufenden Verkehr pflog und persönlich Dinge von ernstlicher Bedeutung behandelte, hörte der persönliche Vortrag in Staatssachen auf. Es ist unglaublich,wie diese behandelt worden. Doch dürfte es angezeigt sein, vorher noch einen kurzen Bericht über den persönlichen Verkehr Seiner Majestät mit der Dienerschaft einzuschalten.
Die Meldungen erfolgen und die Allerhöchsten Befehle werden in der Regel erteilt durch die verschlossene Thüre hindurch. Durch Kratzen an derselben wird das Zeichen gegeben, daß Seine Majestät verstanden sei. Dienerschaft, die hineintreten darf oder muß, hat tiefgebückt zu erscheinen, darf Seine Majestät nicht ansehen, kein Wort sprechen, muß durch Zeichen sich verständlich machen und gelingt dieses nicht, die Bewegungen des Schreibens nachahmen, worauf das Bezügliche im Vorzimmer geschrieben und dann Seiner Majestät überreicht werden darf. Beim Serviren der Speisen hat die Dienerschaft ebenso zu erscheinen, darf nicht bloß Seine Majestät, sondern auch die Speisen nicht ansehen und hat sich ebenso zurückzuziehen. Auch beim Anziehen der Kleider darf der Diener Seine Majestät nicht ansehen. Ist Jemand vom Dienstpersonal (die Chevaulegers eingeschlossen) «in Strafe», so muß er auch wohl niederknien, oder der Länge nach auf den Bauch sich legen. Letzteres sei eingeführt worden seit dem vorigen Jahre, nachdem Seine Majestät das Ceremoniell am chinesischen Hofe gelesen habe. Bei einer unangenehmen Meldung oder bei dem geringsten Verstoße (z.B. beim falschen Aussprechen französischer Namen) werde von Seiner Majestät häufig die Einsperrung in’s Burgverließ oder eine andere Strafe anbefohlen, welcher Befehl dann auch angeblich, in Wirklichkeit aber nie vollzogen wird. Sehr häufig gehe aber Seine Majestät auch zu Gewaltthätigkeiten über, schlage und stoße die Dienerschaft mitunter sogar blutig. Mindestens gegen 30 Personen seien so mißhandelt worden. Nachdem die gewöhnlichen Lakaien und auch die Leute vom Hofstalle sich durch Vorschützung von Krankheiten der verschiedensten Art dem persönlichen Dienste bei Seiner Majestät zum größten Theile entzogen hatten (seit einem Jahre), wurden Chevaulegers zu denselben befohlen. Großer Wechsel fände auch unter diesen statt. (Vergl. die beiden Vernehmungen Heßelschwerdts und Welkers.). Die Mißhandlungen des Dienstpersonals bestätigt auch Herr Ministerialrath von Ziegler (vergl. dessen Mittheilungen Bogen 18 u. 19). Kammerdiener Welker berichtet sogar, daß der Vorreiter Rothenanger, ein junger, schmächtiger und kleiner Mensch, einmal wegen eines geringfügigen Vergehens von Seiner Majestät geschlagen, gestoßen und mit solcher Wucht an die Wand geworfen wurde, daß die im Vorzimmer befindlichen Leibjäger in der Besorgniß, der junge Mann werde totgeschlagen, nahe daran waren, in das Zimmer zu dringen, um Rothenanger zu Hilfe zu kommen. Es sei die Vermuthung nicht ausgeschlossen, daß der nach Jahresfrist erfolgte Tod Rothenangers in ursächlichem Zusammenhange stehe mit den Mißhandlungen, welche derselbe zu erdulden hatte. Ein Chevauleger, von Beruf ein Metzger, dem Seine Majestät einen heftigen Schlag in’s Gesicht versetzte, äußerte dem Dienstpersonale gegenüber: «einem Anderen hätte ich die Gedärme herausgelassen.» Der Grund, weßhalb die Dienerschaft Seine Majestät nicht ansehen darf, ist wahrscheinlich derselbe, aus dem Allerhöchstdieselben den strengen Befehl ertheilten, den Unterthanen die k. Schlößer, die Galawagen und Schlitten nie zu zeigen, da durch deren Blicke eine Entweihung stattfinden würde (Hornig 7). Die Staatsangelegenheiten bezeichnete Seine Majestät mit dem Ausdruck «Staatsfadesen» und äußerten Sich, wenn der Einlauf aus dem Kabinet vorgelegt wurde, wiederholt dahin: «Allerhöchstdieselben möchten dasPack immer lieber wieder hinauswerfen.» Der Einlauf, welcher gesiegelt aus dem Kabinet zu Seiner Majestät kam, lag von Allerhöchstderselben geöffnet, längere Zeit, oft Tage lang, obwohl die wichtigsten Staatsangelegenheiten sich darunter befanden, offen vor den Augen der Dienerschaft und in neuerer Zeit auch vor den zur Dienstleistung befohlenen Chevaulegers. Alle Angelegenheiten, die eine Rückfrage erforderlich machten, ferner
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