Ein königlicher Verführer
Gang.
Verdammt, wie er es hasste, es auf diese Weise enden zu lassen.
Nachdem er sich ein Sweatshirt und Jeans angezogen hatte, eilte er zur Sicherheitszentrale im Erdgeschoss, wo ihn sein Bruder, seine Schwestern und der Sicherheitschef Randall Jenkins bereits erwarteten. Sie schauten mit grimmigen Gesichtern auf ein Blatt Papier, das in einem Plastikbeutel versiegelt war.
„Was habt ihr gefunden?“, fragte Chris.
„Er war hier“, antwortete Louisa besorgt und hielt die Arme um sich geschlungen. „Hier auf dem Grundstück.“
„Was meinst du?“, hakte Chris nach.
Aaron reichte ihm das Papier. Sie hatten es am Eingang zum Irrgarten gefunden. In ordentlichen Großbuchstaben stand da geschrieben:
RENNT, RENNT, SO SCHNELL IHR KÖNNT:
DOCH IHR KRIEGT MICH NICHT
ICH BIN DER MANN
MIT DEM LEBKUCHENGESICHT.
Wer auch immer dahintersteckte, er liebte Reime.
„Wenigstens wissen wir nun, wie wir ihn nennen können“, sagte Anne kichernd. „Was für ein Freak!“ Sie sah so aus, als hätte sie sich am liebsten auf die Suche nach dem Lebkuchenmann gemacht und ihm gehörig die Meinung gesagt.
Chris gab das Blatt an seinen Bruder zurück. „Ich dachte, wir hätten zusätzliche Sicherheitskräfte postiert?“, fragte er Jenkins.
„Das haben wir, Sire.“
„Und trotzdem konnte er sich durchschleichen?“
„Wie ein Gespenst, niemand hat etwas gesehen.“
Chris bezweifelte allerdings, dass etwas Übernatürliches mit im Spiel war. „Wer hat es gefunden? Und wann?“
„Avery, Sire, so gegen zehn Uhr. Er hat den Eingang zum Irrgarten bewacht und hörte aus dem Inneren des Labyrinths ein Geräusch, dem er nachging. Als er wieder herauskam, lag diese Nachricht auf dem Boden. Er hat es sofort gemeldet, und wir haben gleich alles abgesucht, aber da war niemand.“
„Keiner hat das Grundstück betreten?“
Jenkins schüttelte entschieden den Kopf. „Der Zaun und das Tor sind gesichert.“
„Also kann es nur jemand aus dem Schloss sein“, folgerte Louisa schaudernd. „Ein Angestellter, jemand, dem wir vertrauen.“
„Oder jemand, der geschickt oder verrückt genug ist, im Dunkeln die Felsen hochzuklettern“, ergänzte Chris und wusste nicht, was er schlimmer finden sollte: Zumindest wäre ein abtrünniger Angestellter einfacher aufzuspüren. Die Vorstellung, dass jemand entschlossen genug war, sein Leben aufs Spiel zu setzen, an der gefährlichen Felswand hochzuklettern, stimmte sie alle besorgt. Die Felsen zum Meer waren auch nicht bewacht, weil eigentlich niemand riskierte, abzustürzen und auf dem felsigen Strand den Tod zu finden. Aber vielleicht war dieser Lebkuchenmann genauso geschickt im Klettern wie im Computerhacken.
„Wir sollten das Personal vernehmen“, schlug Aaron vor. „Nur für den Fall, dass jemand etwas gesehen hat.“
„Und was, wenn Vater davon erfährt?“, wollte Anne wissen.
„Wir müssen eben dafür sorgen, dass er es nicht mitbekommt“, entschied Chris. „Ich möchte eine genaue Aufstellung darüber, wo das Sicherheitspersonal aufgestellt ist. Wir müssen einige Änderungen vornehmen“, wandte er sich an Jenkins.
„Ja, Sire.“
„Muss das jetzt sein?“, fragte Anne.
„Warum geht ihr beide nicht einfach wieder ins Bett?“, schlug Aaron seinen Schwestern vor. „Chris und ich kümmern uns darum.“
„Ich will bleiben“, verkündete Louisa entschlossen.
„Du bist nur im Weg“, meinte Anne und fasste sie am Arm. „Sie können uns morgen auf den Stand der Dinge bringen.“
Widerwillig ließ Louisa sich von ihrer Schwester aus dem Büro führen, und Chris warf einen Blick zur Uhr, um festzustellen, dass es kurz vor Mitternacht war. Es sah ganz danach aus, als würde es eine lange Nacht werden und sein Date mit Melissa würde warten müssen.
Weil sie glaubte, dass das Treffen schnell vorbei sein würde, blieb Melissa fast bis um ein Uhr nachts auf, in der Hoffnung, Chris klopfte an ihre Tür. Doch schließlich schlief sie darüber ein.
Als sie am nächsten Morgen gemeinsam frühstückten, teilte Chris ihr mit, dass sie wegen des schönen Wetters doch nicht in die Stadt fahren, sondern den Vormittag mit der ganzen Familie auf dem Golfplatz verbringen würden. Danach waren ein Mittagessen im Clubhaus und ein Ausflug auf der königlichen Jacht geplant.
„Hoffentlich spielst du Golf“, erkundigte Chris sich.
„Genauso gern wie Poker, und ich bin auch eine begnadete Schwimmerin.“
„Rettest du mich, falls wir kentern?“, neckte Chris sie und schenkte
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