Ein königlicher Verführer
„Morgen sehen wir klarer und reden dann darüber.“
Ja, klar, Schlaf war die Antwort, und alles würde morgen besser sein. Vielleicht würde ihr in der Zwischenzeit ein neues Herz wachsen für das alte, das Chris ihr gebrochen hatte.
Und mit etwas Glück würde das neue dann aus Stein sein.
Weder am nächsten noch am darauffolgenden Morgen redeten Melissa und Chris miteinander über diese Angelegenheit.
Und als am dritten Tag der König erfolgreich operiert wurde und den Eingriff hervorragend überstand, sprachen sie gar nicht mehr über ihre Ehe. Obwohl Melissa sich immer mehr wie eine Außenseiterin vorkam, leistete sie Chris im Krankenhaus Gesellschaft und ertrug das unhöfliche Verhalten seiner Geschwister. Die meiste Zeit über taten sie so, als sei Melissa gar nicht anwesend. Offensichtlich war nichts mehr von der Wärme und Höflichkeit übrig geblieben, die sie ihr zu Beginn ihres Besuchs entgegengebracht hatten. Melissa durfte sich schon glücklich schätzen, wenn Aaron, Anne und Louisa überhaupt bemerkten, dass sie da war. Sie versuchte, nach außen hin gelassen zu erscheinen, damit niemand mitbekam, wie verletzt sie sich fühlte. Diese Befriedigung wollte sie keinem von ihnen verschaffen.
Jede Nacht, wenn sie gemeinsam im Bett lagen und Chris mit ihr schlafen wollte, war sie so ausgezehrt nach Aufmerksamkeit, dass sie ihn nicht abwies. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass er nichts für sie empfand, wenn er sie so zärtlich und sanft liebte. Vielleicht würde er mit der Zeit etwas mehr für sie empfinden – wenn sie erst ihr Kind bekamen. Jede Nacht betete sie deshalb darum, schwanger geworden zu sein, aber ihre Regel setzte immer zuverlässig beim nächsten Termin ein. Mehr und mehr kam Melissa sich wie eine Versagerin vor und haderte mit Mutter Natur, die ein grausames Spiel mit ihr zu treiben schien.
Nächsten Monat, versuchte sie sich selbst aufzumuntern, nächsten Monat passiert es. Aber sie wurde nicht schwanger, obwohl sie sich wirklich darum bemühten. Da Chris ansonsten zu beschäftigt war, um Zeit mit ihr zu verbringen, sah sie ihn auch nur noch im Schlafzimmer. Der Prinz hatte den größten Teil der Pflichten seines Vaters übernommen, solange dieser wegen seiner Krankheit außer Gefecht gesetzt war. Melissa versuchte sich einzureden, dass es auch besser so war, denn selbst wenn Chris bei ihr war, war er in Gedanken woanders. Und wenn sie mit ihm reden wollte, beachtete er sie nicht – als ob sie gar nicht existierte.
Sie verbrachte zahlreiche Stunden mit dem König und der Königin, die als Einzige ihre Schwiegertochter immer noch voller Zuneigung behandelte. James verließ das Schloss nur für Arzttermine, ansonsten gingen sie gemeinsam im Garten spazieren oder sahen fern. Weil das Königspaar aber selbst so viele Sorgen hatte, traute Melissa sich nicht, ihnen ihr Herz auszuschütten: wie unglücklich Chris sie machte, oder dass die anderen sie nicht mehr beachteten. Sie versuchte, die ganze Zeit über zu lächeln und so zu tun, als ob alles bestens lief. Melissa fürchtete, dass vielleicht auch das Herrscherpaar ihrer bald überdrüssig wurde.
Wenn sie nur erst ihr Baby bekam, dann wäre da wenigstens ein Mensch, der sie lieben und brauchen würde. Als sie aber nach zwei Monaten immer noch nicht schwanger war, schlug Chris vor, einen Experten aufzusuchen.
„Nur, damit wir sicher sein können“, meinte er.
Um ihn glücklich zu machen, stimmte sie zu und ertrug die erniedrigenden Tests. Die ganze Zeit über war sie davon überzeugt, dass mit ihr alles in Ordnung war. Mit dreiunddreißig war sie vermutlich einfach nicht mehr so fruchtbar wie in ihren Zwanzigern. Alles, was sie brauchten, waren Geduld und noch mehr Versuche.
Daher konnte sie es zunächst kaum glauben, als ihr an einem kühlen Herbsttag der Arzt mitteilte, dass es um ihre Eierstöcke und Eileiter nicht zum Besten stand.
„Was heißt das?“, wollte Chris wissen.
„Natürliche Empfängnis könnte dadurch erschwert werden.“
Obwohl Chris sie nicht ansah, wusste Melissa, was er dachte. Er hatte nicht nur eine Frau geheiratet, die er nicht liebte, sondern auch eine, die ihm keinen Erben schenkte. Seine Familie würde sicher nicht sehr erfreut darüber sein.
„Was schlagen Sie vor?“, fragte Melissa den Arzt und hoffte auf eine einfache Lösung. Etwa ein kurzer Eingriff, der das Problem aus der Welt schaffen würde.
„Wir sollten noch ein paar Monate warten und hoffen, dass es so klappt. Wenn nicht,
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