Ein Königreich für die Leidenschaft
gewesen sein.“
„Schon.“ Sie lachte. „Mein Fahrrad hätte ich gern gehabt. Und mir fehlt meine Freundin Kathy. Außerdem habe ich die Strände und die vielen Vögel geliebt. Und anfangs habe ich mich sehr nach meinem Vater gesehnt.“
„Sind deine Eltern geschieden?“
„Ja. Meine Mutter konnte sich nie an das amerikanische Leben gewöhnen. Sie weigerte sich, Autofahren zu lernen, und hasste die überfüllten Einkaufzentren. Deshalb hat sie immer nur beim Krämer an der Ecke eingekauft.“
„Aber da ist doch alles viel teurer.“
„Kann sein. Ihr hat es nicht gefallen, wie die Amerikanerinnen sich kleiden, also trug sie die traditionellen Gewänder. Auch das Haar wollte sie sich nicht abschneiden lassen. Anfangs hat mein Vater das ja noch exotisch und süß gefunden. Aber nach einiger Zeit hatte er es satt und drängte sie, sich endlich auf das Leben in Amerika einzustellen. Aber sie konnte es nicht. Sie ist sehr zurückhaltend, geradezu scheu.“ Sie lachte leise. „Ich glaube sowieso, meine Mutter hat meinen Vater nur geheiratet, weil sie nicht wusste, wie sie ablehnen sollte.“
„Vielleicht war es auch Liebe auf den ersten Blick.“
„Ja, vielleicht auch das.“ Lani ging wieder voraus und bog dann in einen grünen Tunnel ein, den der dichte Bewuchs geschaffen hatte. „Aber nach acht Jahren war wohl nicht mehr viel übrig von der Liebe, und mein Vater hat sie wieder nach Hause geschickt.“
AJ musste sich bücken, um den feuchten Blättern auszuweichen. „War es bei dir und Vanu auch Liebe auf den ersten Blick?“ Als er sah, wie sie leicht zusammenzuckte, fügte er schnell hinzu: „Entschuldige, es ist wahrscheinlich schmerzhaft für dich, jetzt darüber nachzudenken.“
„Ist schon okay. Nein, bei uns war es anders. Vanu hat mich auf dem Markt gesehen. Ich gefiel ihm, und deine Mutter hat schnell herausgefunden, wer ich war und wo ich wohnte. Sie lud mich in den Palast ein, es war alles sehr formell. Der Heiratsantrag wurde uns dann schriftlich überbracht, von einem der Diener des Hauses.“
„Hört sich nicht sehr romantisch an.“
„War es auch nicht. Zu dem Zeitpunkt kannte ich deinen Bruder so gut wie gar nicht. Wir hatten uns vielleicht fünf Minuten lang unterhalten.“
„Warum hast du dann seinen Antrag angenommen?“
Kurz hob sie die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Alle sagten, ich solle es tun. Den Antrag abzulehnen kam irgendwie überhaupt nicht infrage. Meine Mutter hätte mir das nie verziehen, und das hätte ich nicht ertragen.“
„Kann ich verstehen. Na ja, diesmal kannst du ganz beruhigt sein. Nicht mal meine Mutter kann uns zwingen zu heiraten.“ Als sie weiterging, ohne etwas zu erwidern, wurde er unruhig. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
„Nein, nein. Im Gegenteil. Ich bewundere deine Unabhängigkeit.“
„Auch du kannst dich unabhängig machen, wenn du willst.“
Sie schwieg. Dann erwiderte sie: „Nein. Ich kann deine Mutter nicht im Stich lassen. Sie war immer so gut zu mir. Und seit dem Tod deines Vaters ist sie oft sehr einsam. Und nun hat sie auch noch Vanu verloren …“
„Sie kann sich freuen, dass sie dich hat, Lani.“
„Und sie erwartet, dass wir mit ein paar Blüten zurückkommen“, wechselte Lani schnell das Thema und warf AJ einen spöttischen Blick über die Schulter zu.
Sofort spürte er wieder, dass sie ihn erregte. Aber das hatte nichts zu sagen. Jeder Mann würde ähnlich reagieren, denn sie sah einfach bezaubernd aus mit diesen großen dunklen Augen, der zierlichen Nase in dem herzförmigen Gesicht, den sinnlichen vollen Lippen und dem langen kupferbraunen Haar, das ihr glatt über den Rücken fiel. Wenn sie nicht seine Schwägerin wäre, würde er sie umgehend für seinen nächsten Film engagieren. „Ja, wahrscheinlich sollten wir uns darauf konzentrieren. Geh du nur vor.“
Der Blättertunnel öffnete sich, und sie betraten eine weite Rasenfläche, die von gelb blühenden Hibiskusbüschen gesäumt war. Über einen sanften Hügel gelangten sie schließlich an den Strand. AJ blieb überrascht stehen und sog tief die Luft ein. Es roch frisch und salzig. Schon lange war er nicht mehr hier am Meer gewesen, das sich türkisblau bis zum Horizont erstreckte. „Das ist wunderschön …“, stieß er leise hervor.
„Was ist wunderschön?“ Fragend sah Lani ihn an.
„Das Meer. Ich hatte vergessen, wie gewaltig es ist.“
„Aber der Pazifik vor der kalifornischen Küste soll doch so besonders eindrucksvoll
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