Ein Koenigreich fuer die Liebe
verdrängen und den aufsteigenden Schmerz zu unterdrücken, sagte Damiano: „Das ist schade. Ich meine, dass du bei den Pasquales eingeladen bist.” Er schwieg einen Moment, bevor er weitersprach. „Ich möchte nämlich gern, dass du mich an dem Abend in die Oper begleitest.”
„In die Oper?” Verwirrt blinzelte Sofia ihn an.
„Zur Premiere. Wie du weißt, ist es ein besonderer Anlass.”
Natürlich wusste sie es. Am Donnerstag sollte das frisch renovierte Theater wiedereröffnet werden, und zwar mit einer Inszenierung von „Madame Butterfly” mit Starbesetzung. Aber warum, in aller Welt, schlug er ihr vor, ihn zur Premiere zu begleiten?
„Das finde ich sehr seltsam. Normalerweise gehst du doch allein zu solchen Anlässen.”
„Bis jetzt ja.”
„Das war doch so abgesprochen.”
„Stimmt.” Damiano schaute ihr in die Augen. „Aber sagen wir, ich habe beschlossen, unsere Absprache zu überdenken.”
„Zu überdenken? Warum?” fragte sie in einem Anflug von Panik. „Ich finde, es hat ganz gut funktioniert.”
„Du meinst, weil wir uns so nicht auf die Nerven gegangen sind?” Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch. „Ja, in der Hinsicht hat es wirklich gut funktioniert. Doch nun müssen andere Dinge berücksichtigt werden, und deshalb finde ich, dass wir unsere Absprache überdenken sollten.” Er musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. „Ich fürchte, ich muss sogar darauf bestehen.”
Im nächsten Moment klopfte es leise an der Tür. Dann wurde die Tür geöffnet, und ein Hausmädchen betrat mit einem Teewagen den Raum. Auf dem Teewagen standen einige Silberschalen mit Gebäck und ein wunderschönes blaugoldenes Teeservice aus Castello-Porzellan. Dieses Porzellan wurde in San Rinaldo hergestellt und war weltberühmt.
Das Hausmädchen machte einen Hofknicks und deutete eine Verbeugung an, bevor es den niedrigen Mahagonitisch zu decken begann, der zwischen Damiano und Sofia stand.
Sofia hatte es nur mit einem flüchtigen Blick gestreift und sah nun starr Damiano an, wobei sie gegen die aufsteigende Panik ankämpfte. Sie hatte sich also nicht getäuscht. Er hatte etwas Wichtiges mit ihr zu besprechen. Allerdings hätte sie sich nie träumen lassen, dass es sich darum handelte. Für sie war es der reinste Alptraum.
Fünf Monate zuvor, als die Situation unerträglich geworden war, hatten sie diese Absprache getroffen. Zu dem Zeitpunkt hatten sie bloß noch miteinander gestritten -
natürlich nur dann, wenn sie allein gewesen waren. Allerdings war es ihnen auch in der Öffentlichkeit zunehmend schwerer gefallen, zu verbergen, dass mittlerweile eine tiefe Kluft zwischen ihnen entstanden war.
Damiano hatte schließlich die Initiative ergriffen. „Von jetzt an”, hatte er bestimmt, „wird jeder von uns sein eigenes Leben leben. Wir werden nicht mehr zusammen in der Öffentlichkeit auftreten, ausgenommen bei Staatsanlässen, wo es sich leider nicht vermeiden lässt. Und privat werden wir uns nach Möglichkeit aus dem Weg gehen.”
Und genau so hatten sie es auch gehalten. Damiano war aus ihren gemeinsamen Räumen in den Westflügel des Palazzo Verde gezogen. Und obwohl es ihr das Herz gebrochen hatte, hatte Sofia sich darauf eingelassen, denn so hätte es ohnehin nicht weitergehen können.
Außerdem war ihr klar gewesen, dass ihr Traum nie in Erfüllung gehen würde. Sie hatte sich also damit abgefunden, dass Damiano nie etwas für sie empfinden würde, und widerstrebend in diese Lösung eingewilligt.
Nachdem sie sich von dem anfänglichen Schock erholt hatte, hatte sie überrascht festgestellt, dass ihr Leben nun wesentlich leichter war. Sie konnte nämlich besser ohne die Liebe ihres Mannes leben, wenn sie ihn nicht jeden Tag sah. Allmählich waren ihre Wunden verheilt, und die Erkenntnis, dass sie auch ohne ihn leben konnte, hatte ihr wieder Kraft gegeben.
Und jetzt wollte er alles rückgängig machen. Das durfte sie, Sofia, auf keinen Fall zulassen.
Nachdem das Hausmädchen ihnen Tee eingeschenkt und den Raum wieder verlassen hatte, lehnte Sofia sich vor und sah Damiano besorgt an. „Das verstehe ich nicht. Warum willst du unsere Absprache überdenken?”
Damiano betrachtete sie eine Weile. Er wusste genau, was in ihr vorging, denn ihr entsetzter Gesichtsausdruck sprach Bände. ,,Weil sie einige unvorhergesehene und unerfreuliche Konsequenzen hatte”, erklärte er, während er sich vorbeugte und seine Tasse in die Hand nahm. Dann trank er einen Schluck Tee und schaute sie
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