Ein Königreich für einen Kuss!
dann selbst Platz. Es war nur für zwei gedeckt. Roter und weißer Wein schimmerte in funkelnden Kristallgläsern, und das frisch polierte Silber glänzte. Zwei Diener trugen verschiedene Gerichte auf und taten Stella auf, sofern sie zustimmend nickte. Zwar hatte Stella die Namen der Gerichte nicht verstanden, aber alles duftete sehr appetitlich, und beim Anblick des knusprigen Fasans, dem Reis mit Kräutern und dem Ratatouille lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
Auch Vasco schien sehr zufrieden zu sein. „Es ist gut, wieder zu Hause zu sein. Vor allem die heimische Küche fehlt mir, wenn ich im Ausland bin.“
„Wie lange waren Sie denn weg? Ich meine, als Sie jung waren?“
„Fast zehn Jahre.“ Er trank einen Schluck Rotwein. „Mit achtzehn habe ich Montmajor in der festen Absicht, nie wiederzukommen, verlassen.“
„Warum das?“ Er schien mit seiner Heimat doch sehr eng verbunden zu sein.
„In Montmajor gibt es nur für einen männlichen Erben Platz. Der älteste Sohn erbt die Krone, den Palast und das Land. Die jüngeren Prinzen müssen ihr Glück woanders suchen. Das ist schon seit tausend Jahren so.“
„Ach ja?“
„Man will damit Erbstreitigkeiten vermeiden. Einer meiner Vorfahren hat dieses Gesetz vor vielen Jahren erlassen. An seinem achtzehnten Geburtstag muss der jüngere Bruder das Land verlassen, ausgestattet mit einer Summe von tausend Quiril.“
„Dann hat man Sie also buchstäblich aus dem Land gejagt?“
„Nein, ich bin freiwillig gegangen.“
Dennoch, die Vorstellung, dass man die geliebte Heimat mit achtzehn verlassen musste, fand Stella erschreckend. „Und tausend Quiril sind heutzutage sicher auch sehr viel weniger wert als damals, oder?“
„Allerdings. Damit kann man heute kaum eine Woche überleben.“
„Und was haben Ihre Eltern dazu gesagt?“
„Nichts. Gesetz ist Gesetz. Ich habe damals wohl angenommen, dass sie das Gesetz nicht so ernst nehmen würden. Als Kind kann man sich nicht vorstellen, dass die Eltern einen eines Tages wegschicken. Aber später dann … schließlich hatte ich einen älteren Bruder …“ Er brach ab, schien seinen Gedanken nachzuhängen, und seine dunklen Züge wirkten im Kerzenlicht noch geheimnisvoller als sonst.
Offenbar habe ich damit einen sensiblen Punkt berührt, dachte Stella, bedauerte aber nicht, dass sie mit dem Thema angefangen hatte. Sie musste einfach mehr über diesen Mann – den Vater ihres Kindes – erfahren. „Dann lebt Ihr Bruder nicht mehr?“, fragte sie leise. „Und Sie sind deshalb zurückgekehrt?“
„Ja. Er und unsere Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben. Es war seine Schuld. Er war wie üblich betrunken“, stieß er wütend hervor. „Und wegen all dieser Toten bin ich jetzt hier.“ Wieder trank er einen Schluck. „Hübsche Geschichte, was?“
„Es tut mir so leid …“
„Vor neun Monaten rief mich der älteste Freund meines Vaters an und forderte mich auf zurückzukommen. Und am nächsten Morgen flog ich zurück, zum ersten Mal nach zehn Jahren.“
Irgendetwas in seiner Miene rührte sie. „In den zehn Jahren haben Sie sich wohl sehr nach Montmajor gesehnt?“
„Ja. Der Verlust der Heimat hat wie eine offene Wunde geschmerzt. Ich ging ja davon aus, dass ich mein Land nie wiedersehen würde.“
„Demnach war auch jeder Besuch nach diesen alten Gesetzen verboten?“
Er nickte. „Ja. Denn ich hätte ja einen Putsch planen können. Verrückt, was?“
„Allerdings.“ Auch Stella brauchte jetzt einen Schluck Wein. Und Nicky war in diesem Land der Thronerbe? Doch diese Frage wagte sie noch nicht zu stellen. „Haben Sie denn vor, dieses Gesetz zu ändern? Sodass die jüngeren Geschwister nicht mehr gezwungen sind, das Land zu verlassen?“
„Das habe ich bereits getan. Das war meine allererste Amtshandlung. Und die Leute schienen darüber sehr froh zu sein. Und auch über die zweite Gesetzesänderung. Dass man nämlich auch Sex haben darf, ohne verheiratet zu sein.“
Stella lachte. „An das Gesetz hat sich doch sowieso keiner gehalten, oder?“
„Nein. Und ich wundere mich, dass es nicht schon lange vorher geändert worden ist.“
„Dann müssen Sie also auch nicht unbedingt heiraten, um die – sagen wir mal – Freuden des Lebens zu genießen?“
„Nein.“ Lächelnd hob Vasco das Glas. „Die Männer der Familie Montoya sind sowieso nicht so wild aufs Heiraten.“
Alles Mögliche ging Stella durch den Kopf, während sie ihm zuprostete. Hatte Vasco nicht vor, zu
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