Ein koestliches Spiel
amüsieren sich so gut, und ich würde ihnen nur ungern den Spaß verderben.“
„Ja, Liebes“, brummte Sir Oswald. „Denk nicht weiter darüber nach.“
„Sollte ich nicht mit dir gehen, Prue, meine Liebe“, erkundigte sich Tante Gussie.
Prudence schüttelte wieder den Kopf. „Nein. Nein, danke. Ich würde es wirklich vorziehen, alleine zu sein.“ Nur ihre auffällige Blässe und das leise Beben in ihrer Stimme verrieten ihre Sorge.
„Ich begleite Sie“, verkündete Gideon.
„Nein! “ Sich bewusst, dass sie zu heftig reagiert hatte, mäßigte Prudence ihren Ton. „Danke, aber nein, Lord Carradice. Ich brauche keine andere Eskorte als unseren Lakai James. Er ist kräftig und wird mir seinen Arm als Stütze bieten, wenn ich das brauchen sollte. Allerdings bin ich mir sicher, dass das nicht nötig sein wird.“
Prudence wollte einfach fort. Zutiefst beschämt wegen ihrer schwächlichen Reaktion auf Phillips Neuigkeiten, musste sie weg von hier, ihre Gefühle ordnen. Das Letzte, was sie wollte, war, jetzt mit Lord Carradice fertig werden zu müssen, wo sie so erbärmlich schwach war. Er würde seine Arme um sie legen wollen - das tat er ja immer. Und es war mehr als wahrscheinlich, dass sie es geschehen lassen und all ihre Sorgen und Nöte an seiner Schulter ausweinen würde - wie schwach es von ihr wäre, das zuzulassen! Nein, auf keinen Fall. Sie wollte sein Mitleid nicht. Sie wollte niemandes Mitleid.
„Es geht nicht anders!“, beharrte er. „Das steht gar nicht zur Debatte. Ich werde Sie begleiten.“
„Danke, aber das sollen Sie nicht“, entgegnete sie fest. Langsam wurde sie ärgerlich. Wollte ihr denn niemand einen würdevollen Abgang von diesem furchtbaren Schauplatz erlauben?
„Nimm meine Sänfte“, sagte Lady Augusta. „Das ist genau das Richtige. Wenn dir nicht ganz wohl ist..."
„Nein, danke, liebe Lady Augusta, aber ich laufe lieber. Und ich bin auch wieder ganz sicher auf meinen Füßen, wirklich. Ein wenig Bewegung und frische Luft werden mir nur guttun.“
„Aber Sie können nicht...“, begann Lord Carradice.
Sie hob eine Hand. „Es ist nur ein kurzes Stück, und die Nacht ist warm. Ich werde bestens allein zurechtkommen. Danke!“ Sie stand auf und hob ihren Schal auf, der zu Boden geglitten war. Lord Carradice nahm ihn ihr ab und schlang ihn um sie. Prudence zwang sich, der Versuchung des warmen Schutzes seiner Arme zu widerstehen. Sie musste nachdenken. Und das konnte sie nicht, wenn er in der Nähe war.
Außerdem wollte sie auch einmal in ihrem Leben in Ruhe überlegen, was sie - Prudence Merridew - wollte, ohne auf die Wünsche oder Forderungen eines Mannes Rücksicht zu nehmen. Sie war nicht länger an Phillip gebunden, sie würde einundzwanzig werden und so von Großvater frei sein. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie ihre eigene Herrin sein. Sie musste Entscheidungen treffen. Vernünftige Entscheidungen, die nicht von Gefühlen gesteuert waren - weder von Furcht noch von Pflichtbewusstsein, Schuld oder Liebe.
Wenn Lord Carradice bei ihr war, wusste sie, was mit der Vernunft geschehen würde - sie würde sich in nichts auflösen und von Gefühlen ersetzt werden.
„Bitte“, wandte sie sich noch einmal an ihn, „kommen Sie morgen früh.“
Schließlich lenkte er zögernd ein, seine Augen dunkel vor Sorge. Und so erhielt Prudence ihren Willen, verließ die Gesellschaft und machte sich nur in Begleitung ihres Lakaien James auf den Heimweg.
Langsam schlenderte Prudence über den Gehweg, in Gedanken versunken. Neben ihr war James, ein schweigsamer Schatten.
Sie versuchte, aus Phillips Verhalten schlau zu werden. Warum hatte er ihr nicht einfach geschrieben, dass er eine andere heiraten wollte? Sie hatte ihm in ihren Briefen wiederholt die Gelegenheit dazu gegeben. Sie hatte ihm sogar versichert, dass sie es ihm nicht übel nehmen würde, wenn er die Verbindung lösen wollte.
Selbst wenn es ihm unangenehm gewesen wäre, so hätte er ihr doch unverzüglich von seiner Heirat schreiben sollen. Warum hatte er das nicht getan? Wann hatte er geheiratet? Vor sechs Monaten, hatte seine Frau gesagt. Sie rechnete nach - vor sechs Monaten ... Mit gesenktem Kopf ging sie weiter und versuchte, sich an Briefe zu erinnern, die sie vor vier oder fünf Monaten erhalten hatte. Aber sie konnte sich nicht erinnern, überhaupt Briefe bekommen zu haben. Er hatte vor mehr als sechs Monaten aufgehört, Briefe zu schreiben ...
Plötzlich blieb sie abrupt stehen. Worte, die
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