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Ein koestliches Spiel

Titel: Ein koestliches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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hatte sie gemeint, Opfer einer Verwechslung und wegen eines Lösegeldes entführt worden zu sein. Oder zu unmoralischen Zwecken verschleppt zu werden. Es hatte Rufe gegeben, als sie ergriffen wurde, aber sie war zu abgelenkt gewesen, um darauf zu hören, zu sehr damit beschäftigt, sich gegen die groben Hände zu wehren, die sie fesselten. Von dem Umhang über ihrem Kopf behindert, hatte sie keine Chance gehabt. Es waren wenigstens drei Männer. Zwei waren auf den Kutschbock geklettert, einer von ihnen war der Kutscher.
    Ein anderer Mann befand sich bei ihr in der Kutsche. Der Anführer. Er hatte kein Wort zu ihr gesagt, aber sie hatte seinen Stock gegen das Kutschendach klopfen gehört, dann waren sie losgefahren. Sie konnte ihn atmen hören, röchelnd Luft holen.
    Obwohl er nichts gesagt hatte, wurde ihr langsam und unmerklich klar, wer er war. Furcht ballte sich in ihrer Brust zu einem Knoten, denn sie konnte ihn selbst durch die dicke Decke riechen, seinen moderigen, scharfen Altmännergeruch. Großvater.
    Sie versuchte, etwas durch den Knebel hindurch zu sagen.
    Etwas sauste durch die Luft, dann traf sie mit voller Wucht ein Schlag mit dem Stock auf Schulter und Hals. Selbst durch die Decke hindurch schmerzte es.
    „Schweig still, Miststück.“
    Unter der Decke schloss Prudence die Augen und machte sich auf mehr gefasst. Sie wusste, er würde sich nicht mit einem Schlag begnügen. Das hatte er nie getan. Blind, wie sie war, konnte sie nicht erkennen, wann der nächste Hieb kam, daher musste sie stets darauf gefasst sein. Sie würde das hier überleben. Sie zog den Kopf ein und wartete. Und wartete.
    Wieder das Sausen. Diesmal traf er ihren Arm.
    „Hampel nicht herum.“
    Es würde eine lange Nacht werden. Sie sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie den Morgen erleben würde. Und wartete auf den nächsten Schlag. Es dauerte eine ganze Weile, aber dann ...
    „Mich nach Schottland auf den Holzweg schicken wollen, was, du Schlampe? Erst bis nach London!“ Wieder ein Schlag. „Dann den ganzen Weg nach Derbyshire!“ Noch einmal. „Und zum Schluss nach Schottland, was?“ Wieder schlug er zu.
    Prudence schluckte. Sie hatte gehofft, die Lüge hätte ihnen genug Zeit verschafft, aber...
    Ein neuer Hieb. „Mein Geld für teuren Tand vergeuden!“ Der Stock prallte scharf auf ihre Schienbeine, und ihr unwillkürliches Keuchen vor Schmerz brachte sie wegen des Knebels an den Rand des Erstickens. Die Decke reichte nicht bis zu ihren Beinen, und die tiefblaue Seide und das hauchfeine, silberfarbene Überkleid boten keinen Schutz. Ihr wunderschönes Abendkleid.
    Das nächste Mal traf er sie auf den Knöchel. Sie hörte den Silberstoff reißen, worauf er zufrieden brummte. „Feine Federn machen noch keinen feinen Vogel, Fräulein.“
    Prudence blieb nichts anderes übrig, als es auszuhalten. Sie wappnete sich für den nächsten Schlag, aber er schien sich ein wenig beruhigt zu haben. Das Schweigen dehnte sich aus, das einzige Geräusch war das Klappern der Hufe auf der Straße und das Knarren und Quietschen der rollenden Kutsche.
    „Fragst dich sicher, wie ich dich gefunden habe, was?“ Heimlich wackelte sie mit den Zehen. Sie konnte sie bewegen. Ihr Knöchel pochte schmerzhaft, aber er war nicht gebrochen. Erleichtert seufzte sie. Vielleicht konnte sie trotz allem noch rennen, wenn sich die Gelegenheit zur Flucht bot.
    „Der junge Otterbury hat geschrieben. Zum Glück war ich wieder zurück auf Dereham Court, nachdem ich in Derbyshire rausbekommen hatte, dass ihr gar nicht da wart, und mir den Weg nach Schottland gespart habe. Er ließ mich wissen, wohin du geflohen warst. Ha! Wollte sich bei mir lieb Kind machen. Hat mal für mich gearbeitet, wusstest du das? Verließ vor einiger Zeit die Handelsgesellschaft und versucht seitdem, wieder angestellt zu werden. Der Narr! Es wird ihm nichts nützen, gar nichts ...“
    Das letzte Stück des Puzzles, dachte Prudence matt. Phillip hatte sie in jeder Hinsicht verraten.
    Eine lange Weile herrschte Schweigen in der Kutsche.
    Wieder ein Hieb. „Ich will verdammt sein, wenn ich wegen deiner Einmischung eingesperrt werde, du Flittchen!“
    Eingesperrt? Was meinte er? Das hier war keine Attacke eines wutschäumenden Großvaters, wie sie es aus ihrer Jugend kannte. Da war etwas anders ... es war irgendwie überlegter. Kalkulierter. Als hätte er alle Zeit der Welt. Und als steigerte er sich allmählich in etwas hinein ... Sie wagte nicht, daran zu denken, in was wohl.

Sie

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