Ein koestliches Spiel
runzelte die Stirn. Prudence wich der Frage in ihrem Blick aus. Grace mochte jung und unschuldig sein, aber sie war keineswegs auf den Kopf gefallen.
Der Landauer entfernte sich, ihre Schwestern winkten fröhlich, und der Duke wirkte verblüfft, als könne er es nicht ganz fassen, zwischen so vielen schönen jungen Damen zu sitzen. Prudence schaute ihnen nach, dann hakte sie sich entschlossen bei Grace unter.
„Oh nein, das ist so gar nicht, wie man heutzutage promeniert“, verkündete Lord Carradice und hatte sich zwischen sie geschoben und die Hände beider auf je einen Arm gelegt, ehe Prudence begriff, was er vorhatte. Er lächelte auf Prudence herab, und sein Griff festigte sich, drückte ihren Arm fester an seine warme Seite. „So macht man das, Miss Merridew. Ist es so nicht viel besser?“
Prudence erschauerte. Nein, es war überhaupt nicht besser. Sie konnte seine Stärke spüren, seine Wärme, roch den schwachen Duft von sauberem Leinen und frisch rasiertem Mann. Es war viel schlimmer.
„Sie wissen doch, ich bin verlobt“, erinnerte sie ihn bemüht beiläufig.
Er lachte leise. Prudence spürte die Schwingungen bis ins Mark.
Auf der anderen Seite schnaufte Grace empört. „Prue! Ich dachte, das sollte ein Geheimnis sein.“
Hastig wechselte Prudence das Thema. „Lord Carradice war sehr an dem ägyptischen Retikül interessiert, das du für mich gebastelt hast, Grace. Er hielt es für sehr ungewöhnlich.“
Gideon schaute das junge Mädchen neben sich an. „Aha! Du also bist die Verantwortliche für diese ..."
Prudence drückte hart seinen Arm. „Ja, allerdings, Grace. Lord Carradice hat deine sorgfältige Ausführung sehr bewundert.“ Sie warf ihm einen warnenden Blick zu und fügte hinzu: „Nicht wahr?“
„Äh, ja ... sicher“, antwortete Lord Carradice. „Überaus solide Arbeit, Miss Grace. Ich war sehr beeindruckt.“ Er machte eine Pause, ehe er anfügte: „Fast erschüttert.“
Prudence musste sich angesichts dieser Frechheit sehr beherrschen.
Er warf ihr einen spitzbübischen Blick zu und fügte in nachdenklichem Ton hinzu: „Genau genommen, kann ich mich gar nicht erinnern, schon einmal von einem Kunstgegenstand derart berührt worden zu sein.“ Er nahm seinen Arm von Graces und rieb sich den Kopf. „Deine Kunstfertigkeit hat schwer Eindruck auf mich gemacht, das muss ich schon sagen. Fast ... wie ein Schlag aus heiterem Himmel.“ Er seufzte und hakte sich wieder bei Grace unter. „Ich nehme an, du willst deiner Schwester noch ein Retikül machen, diesmal aber ein gehäkeltes, oder? Gehäkelte Retiküls sind im Augenblick groß in Mode.“
Prudence gab sich Mühe, ernst zu bleiben. Das war gar nicht so einfach. Eine Weile gingen sie schweigend weiter, verbeugten sich kurz, wenn sie Bekannte sahen. Schließlich hatte Prudence sich wieder so weit in der Gewalt, dass sie die Unterhaltung fortführen konnte. „Meine Schwester ist von dem alten Ägypten fasziniert, Mylord. Wie wir alle.“ Vielleicht würde er das Interesse verlieren, wenn er sie für eine Familie von Blaustrümpfen hielt. Männer mochten belesene Frauen nicht, das wusste sie von Phillip.
„Haben Sie mein Retikül wirklich bewundert?“ Grace spähte argwöhnisch zu dem hochgewachsenen, eleganten Mann empor.
Gideon schaute auf den Schöpfer des Instrumentes seines Niedergangs hinab und wurde weich. Die Kleine sah Prudence ziemlich ähnlich, wenn sie die Stirn runzelte. „Ja, Miss Grace, nachdem Napoleon das Land erobert hatte, gab es eine große Faszination für alles Ägyptische, auch wenn es als Modethema inzwischen längst vorbei ist.“
Die Miene der Kleinen verdüsterte sich, und Prudences festen Griff auf seinem Arm gewahr werdend, beeilte sich Gideon, den angerichteten Schaden wiedergutzumachen. „Natürlich kann die frivole Modewelt eine Sache nicht lange in ihrem leeren Kopf behalten. Menschen mit Verstand hingegen werden sich wünschen, die Welt dieser antiken Hochkultur noch viele Jahre lang zu studieren.“
Der warme, billigende Blick, den Prudence ihm sandte, raubte ihm schier den Atem. Rasch darauf folgte wieder ein Stirnrunzeln, als er sich leicht zu Miss Grace herabbeugte und sie über ihr Interesse ausfragte.
Ein launisches kleines Geschöpf, diese Miss Unbesonnen. Sie faszinierte ihn mehr und mehr.
In diesem Moment wurde Prudence von ein paar Damen aus einer Kutsche gegrüßt, Lady Jersey und eine andere Dame, die Gideon nicht kannte. Gideon machte eine Verneigung in Richtung der
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