Ein koestliches Spiel
möglichst beiläufig: „Ich nehme nicht an, du willst mir das alles erklären, oder?“
Sie runzelte die Stirn. „Ich glaube nicht, dass ich das sollte. Es ist nämlich ein Geheimnis, wissen Sie. Und zwar ein streng gehütetes.“
„Ja, das weiß ich“, erinnerte Gideon sie. „Falls du es schon vergessen hast, deine Schwester hat das gerade eben erst vor mir erwähnt. Ich bin einfach nur neugierig, wie mein Cousin, der Duke, da hineingezogen wurde.“ Er lächelte das junge Mädchen an, das so liebenswert seiner Schwester glich, und fügte hinzu: „Komm schon, Miss Satansbraten, vertrau mir. Meine Schienbeine sind deiner Gnade ausgeliefert.“
Grace zögerte noch einen Augenblick, dann kapitulierte sie. „Die Sache ist so: Großonkel Oswald will meine anderen Schwestern erst dann in die Gesellschaft einführen, wenn Prudence sicher verlobt ist. Und natürlich kann sie ihm nicht einfach sagen, dass sie längst verlobt ist, weil sie es Phillip versprochen hat und sie niemals ein Versprechen bricht.“
Gideon speicherte diese interessante Tatsache für späteren Gebrauch in seinem Gedächtnis.
„Wenn Prue einundzwanzig wird - das ist nächsten Monat fuhr Grace fort, „können wir bei ihr leben, aber solange keine von uns bis dahin geheiratet hat, werden wir kein Geld haben. Und wenn Großvater uns findet, wird er uns zu sich zurückholen, und wir werden nie wieder entkommen. Großvater ist ein schrecklicher Mensch, verstehen Sie. Wir sind ihm weggelaufen.“
Gideon verstand es nicht wirklich; es war bestenfalls eine verworrene Geschichte, aber er ließ nicht locker. „Warum besteht dein Großonkel darauf, dass Prudence als Erste verlobt sein muss? Wenn er sie alle herausbringen will, warum dann nicht zusammen?“
„Großonkel Oswald sagt, meine Schwestern würden Prudences Heiratschancen ruinieren. Er mag Prudence sehr, sehr gerne, müssen Sie wissen. Aber er sagt, kein Mann würde Prudence heiraten wollen, nachdem er meine Schwestern gesehen hat. Und das ist nicht gerecht, weil Prudence die liebste, netteste, freundlichste, tapferste Person auf der ganzen Welt ist.“
Liebes kleines Mädel. Gideon tätschelte ihr wieder die Hand. Mit den anderen Schwestern musste etwas nicht in Ordnung sein, etwas Merkwürdiges, das in Prudences Verehrern den Wunsch erstickte, sie zur Frau zu nehmen. Zweifellos war das der Grund, weshalb sie sie so hastig in den Landauer geschoben hatte, damit es ihm nicht auffiel.
„Also ... Prudence braucht einen Verlobten, damit ihre Schwestern Ehemänner finden können“, sagte er langsam. „Denn wenn eine von euch nicht innerhalb Monatsfrist heiratet, werdet ihr von Großvater wieder nach Hause geholt.“
„Ja.“ Grace durchlief ein Schauder, und sie rutschte näher zu ihm. „Aber Prudence wird es in Ordnung bringen. Das tut sie immer.“
Gideon war bestürzt. Die Kleine war sonst wie ein kleiner Wikinger. Was könnte einen derart verängstigten Ausdruck auf ihr Gesicht bringen? Er legte tröstend seinen Arm um sie. „Ist schon gut, ich wer...“ Entsetzt brach er ab. Er hatte ihr versichern wollen, dass er auf sie aufpassen würde. Was war eigentlich in ihn gefahren? „Ihr habt keine Eltern?“
„Nein, sie sind gestorben, als ich noch ein Baby war“, erklärte Grace. „Großvater hat uns alle aus Italien nach England geholt nach ihrem Tod ... aber Prue kümmert sich um uns. Sie hat uns immer versprochen, wenn Phillip aus Indien heimkommt, würde sie uns von Großvater wegbringen, nur ...“
Da war dieser Ausdruck wieder. Gideon bekam langsam ernste Bedenken, was Großvater anging. „Nur ist Phillip nicht zurückgekommen“, beendete Gideon den Satz für sie.
„Ich glaube ja, dass er tot ist“, vertraute ihm Grace an. „Indien ist sehr gefährlich, wissen Sie. Da gibt es eine ganze Reihe von Sachen, die einen töten können. Er könnte von einem Skorpion gestochen worden sein oder von einer Kobra gebissen - das ist eine Schlange. In Indien hält man Kobras in Körben - sie sind schrecklich giftig - und spielt ihnen Musik vor. Oder er könnte sich mit einer dieser furchtbaren Tropenkrankheiten angesteckt haben, wo einem die Nase abfällt... Oder war das etwas anderes?
Ich persönlich denke, er ist von einem Tiger gefressen oder von einem Elefanten zu Tode getrampelt worden“, erklärte sie mit sichtlicher Befriedigung. „Es gibt Hunderte, ja Tausende Tiger und Elefanten in Indien, und ich denke, es ist sehr wahrscheinlich, dass Phillip umgekommen ist in
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