Ein koestliches Spiel
zu nennen. Für Sie bin ich Miss Merridew, Sir! Und ich werde mit Ihnen keine falsche Verlobung eingehen - oder irgendeine andere! Komm, Grace, komm, James!“ Sie winkte dem wartenden Lakaien und stürmte davon, Grace an der Hand hinter sich herziehend.
Er ging weiter neben ihr, schien nur einen Schritt für ihre drei machen zu müssen. „Es ist höchst unmodisch, durch den Park zu rennen.“
„Ich renne nicht! “ Prudence mäßigte ihr Tempo zu einer so würdevollen Geschwindigkeit, wie es ihr möglich war.
„Nein?“, fragte er, als führten sie eine ganz gewöhnliche Unterhaltung. „Würden Sie ,flitzen“ als passendere Beschreibung empfinden? Das hätte ich nicht gedacht, aber ... “
„Ich werde mit Ihnen kein Wortgefecht austauschen“, erklärte Prudence frostig und zerrte ihre kichernde Schwester mit sich.
„Nein? Was wollen Sie denn sonst mit mir austauschen? Ich bin für jeden Vorschlag offen, keine Sorge.“ Seine Stimme senkte sich zu einem doppeldeutigen Flüstern, sodass Prudence unwillkürlich wieder das Bild vor Augen stand von jenen verbotenen, aber köstlichen Momenten, als er jeden vernünftigen Gedanken aus ihrem Kopf vertrieben und sie mit wundervollen Empfindungen erfüllt hatte ... und ihren Kopf mit unmöglichen Träumen ...
Prudence konnte sich nicht dazu durchringen, ihm zu antworten. Es war eine alberne Situation, dachte sie ärgerlich. Wie wenn man vor einem Tiger zu fliehen versuchte, nur dass der Tiger darauf bestand, neben ihr zu laufen, mit ihr zu zanken und sie anzusehen, dass ihr ganz heiß wurde. Vor Wut, natürlich. Sie steuerte auf den nächsten Ausgang in der Richtung von Onkel Oswalds Stadthaus zu, Grace auf der einen Seite neben sich, Lord Carradice auf der anderen. Der Lakai James bildete die Nachhut.
Plötzlich fiel ihr wieder etwas ein. „Warum meinen Sie, Onkel Oswalds Machtwort sei albern?“, fragte sie und verfluchte sich im selben Atemzug für ihre Dummheit.
Er schaute ihr offen ins Gesicht. „Die Einführung Ihrer Schwestern in die Gesellschaft könnte niemals einen Unterschied machen bezüglich der Wahrscheinlichkeit für Sie, einen Ehemann zu finden. Eine Schönheit braucht sich keine Sorgen zu machen, genug Verehrer anzuziehen. Sir Oswald ist ein Geschäftsmann. Wenn ein Haar in der Suppe ist, wird er zweifellos eine Mitgift beisteuern, die groß genug ist, die bittere Pille zu versüßen.“
Es war, als hätte er ihr eine Ohrfeige gegeben. Es war beileibe nicht so, dass sie nicht wusste, wie unscheinbar und wenig begehrenswert sie war; sie hatte es schließlich ihr ganzes Leben gewusst. Trotzdem hatten die achtlos gesprochenen Worte sie ... verletzt. Tief.
Es war eine Warnung, die zu missachten überaus dumm wäre, sagte Prudence sich. Dieser Mann hatte die Macht, unter ihren Panzer zu gelangen. Sie kannten sich weder lange noch gut, und trotzdem hatte er ihr unglaublich wehgetan, einfach indem er etwas sagte - etwas, von dem sie wusste, dass es stimmte.
Nicht nur ihr auf dem gesellschaftlichen Parkett erfahrener Großonkel und Londons führende Modeschöpferin hielten sie für zu unscheinbar, um einen Ehemann anzuziehen; dies hier kam aus dem Mund eines Frauenhelden - eines Mannes, der es wissen musste. Eines Mannes, der sie aus weiß der Himmel welchen Beweggründen aufgezogen hatte. Geneckt. Mit ihr geflirtet. Alberne, unmögliche Träume in ihr geweckt. Ihr das Gefühl gegeben, attraktiv, begehrenswert, ja fast hübsch zu sein.
Um ihr dann zu sagen, sie sei das Haar in der Suppe.
Wie hatte sie je denken können, er sei freundlich?
Auf seine zweischneidige Bewunderung konnte sie verzichten. Sie brauchte keine närrischen Träume und keine falsche Verlobung. Sie hatte schon einen Verlobten. Phillip. Phillip, dem es egal war, dass sie nicht sonderlich gut aussah, und der ihr einen Ring als Beweis dafür gegeben hatte. Vor viereinhalb Jahren.
Sie schritt blindlings voran, verzweifelt blinzelnd, um die plötzlich heiß brennenden dummen, dummen Tränen, die sie unter ihren Augenlidern und im Hals spürte, davon abzuhalten, über ihre Wangen zu laufen ... vor allen Leuten, was sie in tödliche Verlegenheit stürzen würde.
Sie stolperte über einen unebenen Pflasterstein, und dann war da seine Hand, um sie zu stützen. „Was ist los?“, fragte er mit leiser, besorgter Stimme. „Was habe ich ..."
Wütend schüttelte sie seine Hand ab. „Ich habe Kopfschmerzen. Lassen Sie mich in Ruhe“, fuhr sie ihn an. „Gehen Sie einfach weg!“
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