Ein koestliches Spiel
gratuliert. Lord Carradice, so schien es, hatte das getan, was der Anstand gebot, und einer Verlobung mit Prudence zugestimmt. Und da sie alle darauf so erpicht schienen, könne Charity nun ihr Debüt beginnen, und zwar gleich heute Abend, indem sie ihn und Prudence zu Lady Ostwithers privatem Musikabend begleite. Er hatte Lady Ostwither schon eine Nachricht gesandt.
„Da muss ein Missverständnis vorliegen“, hatte Prudence gesagt, mitten in die allgemeine Aufregung hinein, die diese Nachricht ausgelöst hatte. „Lord Carradice hat kein Interesse an mir.“ Lord Carradice hatte ihr schließlich gerade eben erst mehr oder weniger deutlich zu verstehen gegeben, dass sie praktisch nicht heiratsfähig war. Was für ein Spiel spielte er also?
„Ganz im Gegenteil, meine Liebe, der Mann ist gar kein solcher Tunichtgut, wie ich dachte. Er muss doch ein Gewissen besitzen, denn er war hier, genau in diesem Zimmer, ordentlich und sauber zurechtgemacht in seinen feinsten Kleidern, und hat erklärt, er habe vor, das Richtige zu tun. Prudence, mein liebes, liebes Mädchen, ich habe ihm natürlich die Erlaubnis erteilt. Zwanzigtausend im Jahr! “ Sichtlich bewegt umarmte Großonkel Oswald sie.
Großonkel Oswald war entzückt, musste sich die Tränen verkneifen und sprach begeistert von dem Carradice-Vermögen, Charity, in freudigem Schreck gefangen, war unentschlossen, was sie heute Abend anziehen sollte, und die Zwillinge hüpften vor Freude aufgeregt und schwätzten von ihrem eigenen, unmittelbar bevorstehenden Debüt und davon, wie attraktiv Lord Carradice war, sodass Prudence nicht viel anderes übrig blieb, als die Zähne zusammenzubeißen und zu lächeln.
Der Schuft!
Er machte sich über sie lustig, so viel stand fest. Im einen Moment entlockte er ihrer zehnjährigen Schwester Geheimnisse, im nächsten schlug er Prudence eine falsche Verlobung vor - und im übernächsten erzählte er ihr, sie sei unscheinbar und käme als Ehefrau für niemanden infrage! Und jetzt - nein, halt. Prudence runzelte die Stirn, als ihr ein Gedanke kam. Er musste mit Großonkel Oswald gesprochen haben, ehe er sie im Park getroffen hatte. Er musste einen teuflischen Plan verfolgen. Aber wozu?
Sie brütete gerade über der Abfolge der Ereignisse von heute, als ihr Onkel etwas verkündete, das sie jäh aus ihren Gedanken riss.
„Ich werde unverzüglich eine Nachricht an die Morning Post schicken!“
„Nein! “, rief Prudence entsetzt. „Das darfst du nicht! “ Großvater würde es sehen.
„Warum, um alles in der Welt, denn nicht, Liebes? Du hast eine Eroberung gemacht, hinter der andere schon jahrelang her sind! Warum sollte man das der Welt nicht verkünden? Wir haben ja schließlich nichts zu verstecken, oder?“
„Nein, nein, natürlich nicht. Es ist nur, dass ... äh“, suchte Prudence verzweifelt nach einem möglichen Grund. „Lord Carradice ist in Trauer.“
Großonkel Oswald wirkte erstaunt. „Das tut mir leid zu hören.
Davon wusste ich nichts. Wer ist denn gestorben, meine Liebe? Und wenn er in Trauer ist, jetzt, wo ich darüber nachdenke, warum bringt er das nicht mit seiner Kleidung zum Ausdruck? Heute trug er einen blauen Rock - ehrlich - blau! Meiner Seel, der Kerl macht es sich mit seiner Kleidung wahrlich leicht.“ Prudence überlegte fieberhaft. „Äh ... seine Großtante. Aber ... sie verabscheute Schwarz, daher hat sie darum gebeten, dass ihre Familie ihretwegen farbige Trauerkleidung anlegt.“
Großonkel Oswald verzog sein Gesicht. „Verdammt merkwürdig, diese modernen Ideen. Farbige Trauerkleidung. Pah! Welche Großtante war es denn? Nicht Estelle, oder? Oder Gussie? Ich hoffe doch, nicht Gussie - allerdings ist sie, wenn ich mich recht entsinne, Carradices Tante, nicht seine Großtante. Was für eine Erleichterung! Gussie habe ich immer sehr gemocht.“
Zu spät wurde Prudence bewusst, dass Großonkel Oswald vermutlich alle älteren Verwandten Lord Carradices kannte.
„Äh, nein, ich glaube nicht, dass es Estelle oder Gussie waren. Ich ... äh ... ich meine, seine Großtante lebte sehr zurückgezogen in ... in Wales.“
„Oh, Wales! Das erklärt alles“, sagte Großonkel Oswald, als sei Wales die äußere Mongolei. „Und du hast den Namen nicht mitbekommen? Keine Trauer! Verflixt seltsame Sache. Aber wenn er eine stille Verlobung möchte, habe ich nichts dagegen. Zwanzigtausend Pfund im Jahr! Ich glaube, das verlangt nach einem Toast!“
„Lord Carradice muss gemeint haben, was er im Park
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