Ein Komet fält vom Himmel
der Titelseite. Hast du schon jemals eine Titelseite gehabt, Herpi?!«
»Halt's Maul!« sagte Masters und hämmerte weiter. »Joe, halt dein verfluchtes Maul. Ich schreibe mir die Seele aus dem Leib.«
»Man wird uns lynchen, Herpi!«
Masters blickte kurz hoch. »Es ist vielleicht wirklich die letzte Nummer des ›New York Evening‹, Joe. Aber was für eine Nummer!«
»Willst du mich ruinieren?« schrie Bitter.
»Red keinen Blödsinn … vier Tage vor dem Weltuntergang …« Herp starrte auf die Zeilen in der Schreibmaschine. »Da kann man nichts mehr ruinieren. Die Flutwelle des Atlantik wird mehr als zweihundert Meter hoch über New York hinweg donnern …«
»Dann sause ich morgen ab in die Rocky Mountains …«
»Auch da kriegt es dich, Joe. Die Radioaktivität …«
»Was für eine …?« Joe Bitter blickte Masters entsetzt an. Herp winkte ab.
»Lies den Artikel. Laß mich jetzt allein, Dicker! In zehn Minuten bin ich fertig …«
Er beugte sich wieder über die Tasten, das maschinengewehrähnliche Knattern klang wieder auf. Joe Bitter ging zurück in den Maschinensaal, stellte sich neben die alte Rotationsmaschine und bot – was verboten war – dem Meister eine Zigarette an. An den Glaszwischenwänden zur Setzerei und zur Formgießerei klebten die Gesichter der anderen Mitarbeiter. Der Chef hatte die Maschine angehalten … gab's eine knallige Sensation? War jemand entführt oder ermordet worden?
»Dickes Ei?« fragte der Meister und rauchte die Zigarette an. Früher hatte Joe immer getobt, wenn er nur einen Hauch von Tabakrauch im Maschinensaal gerochen hatte.
»Ziemlich.« Joe Bitter schwitzte. »Der Komet.«
»Das Ding da am Himmel? Alter Hut, Chef.«
»Er fällt auf die Erde.«
»Blödsinn.«
»Am 5. Januar.«
»Soll'n wir 'ne Witzseite machen? Als Aufmacher? Mal was Neues. Vielleicht kommt's an …«
Joe Bitter ließ den Mann stehen und ging wieder hinüber in sein Büro. Dort hing Masters über der Schreibmaschine, als zöge ihn ein riesiger Magnet in die Tasten hinein.
»Aufhören!« bellte Bitter. »Schade um Papier und Farbband. Alles wird über uns lachen!«
»Bis es kracht.«
»Bis dahin sind wir totgelacht, Herp! Verdammt, man kann der Menschheit einfach nicht verkaufen, daß sie an einem genau bestimmten Tag untergeht. Das läuft einfach nicht!«
»Wenn die Sache ein Reinfall wird, kannst du mich aufhängen, Joe«, sagte Masters mit bitterem Ernst. »Oder besser … du darfst dabeisein, wenn ich mich selbst umbringe.«
Joe Bitter hob die breiten Schultern, zog sich hinter seinen Schreibtisch zurück und wartete ab.
Noch drei Minuten, dachte er. So lange sehe ich mir an, wie der Irre in die Tasten haut. Dann nehme ich ihn und schmeiße ihn wie eine faule Apfelsine im Hof zwischen die Mülltonnen. Noch habe ich die Wahl: Mach ich diese Sensation, und sie ist wahr, dann gehören die letzten vier Tage der Erde mir und dem ›New York Evening‹ … oder ich lasse es, spiele tote Fliege und schlage Herpi aufs Hirn. An die Möglichkeit drei – die größte Blamage in der Geschichte der Presse – wage ich gar nicht zu denken …
»Wie lange noch?« fragte Bitter dumpf.
»Noch zehn Zeilen …«
»Meine Jungs werden sich totlachen, Herpi.«
»Das ist besser, als vom Kohatek zerfetzt zu werden …«
Lil Abbot hatte lange mit sich gerungen. Was sie dachte, war ein Verrat an Herp, aber er war notwendig, wenn man an die ganze Menschheit dachte. Herps Besessenheit begann ihr jetzt unheimlich zu werden. Irgend etwas in seinem Kopf schien zerbrochen zu sein, eine Art Sicherung mußte durchgebrannt sein … er war nicht mehr der fröhliche, unbekümmerte, immer optimistische Junge, dem es nichts ausmachte, als Reporter im Schatten der Großen seines Fachs zu stehen, die durchaus nicht besser schrieben als er, aber die überallhin ihre Drähte hatten und mit genau den Menschen auf du und du standen, die wichtig waren.
Was von diesem Herpi übriggeblieben war, schienen nur noch seine Augen zu sein … alles andere war ihr fremd geworden wie die Maskerade, in die er sich geflüchtet hatte. Es war, als habe der Komet Kohatek in Masters sein erstes Opfer gefunden. Vom Tode Mortonsons wußte ja noch keiner.
Lil ging zur nächsten Telefonzelle und wählte die Nummer des New Yorker FBI. Es meldete sich die Telefonzentrale, die sie weiterreichte zu einer Männerstimme, die gar nicht so klang, wie man es vom Film her von einem FBI-Beamten gewohnt war. Eine nüchterne, etwas langweilige
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