Ein Komet fält vom Himmel
Sie.«
»Ich täte es nicht, wenn ich nicht wüßte, daß Sie die neue Lage nicht schamlos ausnützen.« Dr. Wenzler zog seinen Rock aus, nahm den Schlips ab und knöpfte das Hemd auf. Dann hielt er plötzlich inne. Peter Pohle war schon aus der Hose und stand in Unterhosen herum.
»Noch eine Frage …«
»Bitte, mein zweites Ich.«
»Wollen Sie draußen einen Rummel machen?«
»Nein, das wäre das Dümmste, was ich tun könnte. Ich werde für meine Familie einen ganz ruhigen Platz auf dieser Welt aussuchen, wo wir mit unserem bescheidenen Glück leben können.«
»Und wo ist dieses Paradies? Auf einer einsamen Insel oder irgendwo im Urwald?«
»Lassen Sie sich überraschen, Doktor. Nun geben Sie mir schon Ihre Hose … Männer in Unterhosen sehen lächerlich aus …«
Eine halbe Stunde später verließ ›Dr. Wenzler‹ wieder die Klinik. Er begegnete sogar dem 1. Oberarzt, der ihn im Vorübergehen grüßte und ihm zuwinkte. ›Dr. Wenzler‹ nickte freundlich zurück.
Vor dem Haus stieg er in den Wagen, warf die Tasche auf den Rücksitz und fuhr mit einem sportlichen Start – wie man es von Dr. Wenzler erwartete – davon.
Es dauerte zwei Stunden, bis der Pfleger wieder im Krankenzimmer erschien. Er brachte das Mittagessen.
An der Tür aber blieb er zunächst wie angewurzelt stehen und starrte auf das Bild, das sich ihm bot.
In der Zimmermitte hockten die Zwillinge und stritten sich, wer den Zug hatte entgleisen lassen. Erika Pohle saß am Tisch und beantwortete die Glückwunschkarten zum neuen Jahr, wozu sie jetzt endlich Zeit hatte. Auf dem Bett aber lag, gefesselt und mit einem Knebel im Mund, Dr. Wenzler und sah den Pfleger mit funkelnden Augen an.
Der Pfleger stellte das Tablett mit dem Mittagessen auf einem Hocker ab, warf sich herum und rannte hinaus. Auf dem Flur schon brüllte er: »Alarm! Dr. Pohle ist weg! Alarm!«
Der Stationsarzt stürzte ins Zimmer, riß Dr. Wenzler den Knebel aus dem Mund, aber in der allgemeinen Verwirrung vergaß er, auch die Fesseln aufzuschnüren.
»Was ist passiert?« schrie er. »Wo ist Dr. Pohle?!« Dann fuhr er zu Erika herum, die ruhig weiter ihre Antwortkarten schrieb, und begriff endlich, daß alles, was hier geschehen war, mit Duldung oder sogar Mithilfe von Frau Pohle stattgefunden hatte.
»Sie …«, stotterte der junge Arzt. »Sie haben …«
Er rannte wieder aus dem Zimmer und stieß auf dem Flur mit dem Chefarzt und dem 1. Oberarzt zusammen, die gerade aus dem Lift stürzten.
»Dr. Pohle hat Dr. Wenzler überwältigt und gefesselt!« rief er. »Und Frau Pohle …«
»So ein Blödsinn!« unterbrach ihn der 1. Oberarzt laut. »Ich habe Dr. Wenzler vor etwa zwei Stunden weggehen sehen. Ich habe ihm noch zugewunken …«
»Aber er liegt gefesselt auf dem Bett! Bitte –«
Im Zimmer hatte sich Dr. Wenzler im Bett aufgesetzt; er lehnte mit dem Rücken an der Wand, als der Chefarzt und die anderen Ärzte ins Zimmer drängten. Schon der erste Blick bewies, daß dort wirklich Dr. Wenzler hockte – der 1. Oberarzt verlor daraufhin plötzlich seine Haltung und begann zu brüllen.
»Ich habe Sie doch weggehen sehen!« schrie er. »Ich habe doch …«
Dann sah auch er, was der Chefarzt mit verbissenem Gesicht und in voller Erkenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen längst bemerkt hatte: Dr. Wenzler trug Dr. Pohles Anzug, Hemd und Schuhe, sogar die Strümpfe hatten sie gewechselt, um der Perfektion zu genügen.
»Knoten Sie Dr. Wenzler los«, sagte der Chefarzt mühsam beherrscht. Ein energischer Wink scheuchte den Pfleger zu dem Gefesselten. Es war ein leichtes Werk … die Knoten waren nicht festgezogen, aber doch so, daß man sich nicht selbst befreien konnte.
Dr. Wenzler rieb sich die Handgelenke und die Knöchel und blieb auf dem Bett hocken, als habe ihn die Gefangenschaft völlig erschöpft.
»Was haben Sie mir zu erklären?« fragte der Chefarzt rauh.
»Nichts!« Dr. Wenzler wischte sich über das Gesicht, als müsse er eine tiefe Erschütterung von sich wegputzen. »Ich verlange sofort einen Beamten der Staatsanwaltschaft …«
Der Staatsanwalt war bereits unterwegs und traf noch ein, als der Chefarzt, in Ausübung seiner Rechte als Hausherr der Klinik, Dr. Wenzler in ein zwar sinnloses, aber um so lauteres Kreuzverhör nahm. Erika Pohle gab überhaupt keine Antwort mehr, so sehr sie auch angebrüllt und ihr immer wieder gesagt wurde, daß sie sich strafbar gemacht habe.
»Gehen wir logisch vor«, sagte der Staatsanwalt, nachdem ihm
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