Ein Konkurrent zum Kuessen
Doch am nächsten Morgen war Jax wieder sehr distanziert gewesen. Offenbar wollte er sie nicht näher kennenlernen.
Ich hätte es wissen müssen, dachte Ruby. Sie war nicht der Typ Frau, der neben einem attraktiven Mann aufwachte, dem sie ihre Sorgen anvertraut hatte, und völlig immun blieb. Und dann hatte sie ihm heute Morgen auch noch die Wahrheit gesagt …
Auf der Rückfahrt vom Hotel hatte Jax sie gefragt, ob die Leute ihnen die Ehe abnahmen. Und Ruby hatte ehrlich zugegeben, dass es Zweifel an den Motiven für ihre Hochzeit gab und dass viele Leute ihm wegen der Taten seines Vaters nicht vertrauten.
Offenbar hatte Jax damit gerechnet. Als er sie abgesetzt hatte, war seine Miene genauso düster gewesen wie seine Stimmung. Dabei kannte er noch nicht einmal die letzten Neuigkeiten …
Ruby setzte sich wieder an ihre Werkbank und hoffte, Opal werde den dezenten Hinweis verstehen und sich verabschieden.
Doch ihre Cousine sah ihr über die Schulter und fragte: „Woran arbeitest du gerade?“
„An einem Schmuckset aus gelben Diamanten. Die Kette habe ich fertig, die Ohrringe teilweise. Nun fehlen noch Brosche und Armband.“
Opal hielt die Kette gegen das Licht, und die Diamanten mit Brillantschliff funkelten. „Wow, du wirst wirklich immer besser“, sagte sie andächtig.
„Noch besser wäre es, wenn es eine Vorbestellung dafür geben würde“, murmelte Ruby. Dann fiel ihr ein, dass sie sich noch um die zwölf Anrufe kümmern musste, zu denen Opal ihr Notizen hingelegt hatte. Es war lange her, dass sie fünf Anrufe an einem Tag erhalten hatte, von zwölf ganz zu schweigen. Sie war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Klatschmäuler vom Vorabend angerufen hatten und Informationen über ihre Ehe wollten. Aber vielleicht handelte es sich ja auch um Bestellungen?
„Mist, das hätte ich fast vergessen.“ Opal legte die Kette ab. „Du hast einen Auftrag für einen Verlobungsring mit rosa Diamanten bekommen. Weißgold, drei Karat, Fantasieschliff.“
Ruby pfiff. „Hast du dem Kunden einen Preis genannt?“
Ihre Cousine nickte lächelnd. „Ja, und er hat ihn anstandslos akzeptiert.“
Genau dasselbe hätte Ruby sich für ihren Verlobungsring ausgesucht. Der Fantasieschliff entsprach ihrer Kreativität, und sie liebte rosa Diamanten über alles. Schon hatte sie ein Bild vor Augen, wie der Ring aussehen und wie sie die Schönheit des Steins besonders hervorheben könnte.
Opal, die sie gut kannte, lachte. „Du bist in Gedanken schon bei der Arbeit, das sehe ich dir an. Dann lasse ich dich mal loslegen.“ Gleich darauf wurde sie wieder ernst. „Leider hast du nur zwei Wochen Zeit. Ich habe trotzdem zugesagt, weil wir so dringend Aufträge brauchen.“
„Zwei Wochen? Das ist doch völlig …“
„Ich werde dir bis spät in die Nacht Gesellschaft leisten und dich mit Kaffee und deinen Lieblingsmuffins versorgen – die mit weißer Schokolade“, versprach Opal.
Natürlich sollte Ruby sich nicht beschweren, denn der Ring wäre ein weiterer Schritt aus den roten Zahlen.
„Einen Termin zum Anpassen wollte der Kunde auch nicht vereinbaren, weil das Ganze eine Überraschung sein soll. Er hat mir einfach die Ringgröße seiner glücklichen Angebeteten gegeben.“
Ruby fing nicht gern teure Einzelstücke an, ohne sich zu vergewissern, dass diese auch passten. Aber in diesem Fall würde sie eine Ausnahme machen müssen. „Ist gut“, sagte sie darum. „Er wird von mir den schönsten Ring bekommen, den ich je gemacht habe.“
Nachdem Opal gegangen war, wollte Ruby der Kette den letzten Schliff geben, aber sie musste immer wieder an den Verlobungsring denken. Gäbe es doch nur einen Mann, der sie so liebte, dass er sie mit einem rosa Diamanten überraschen wollte …
Jax hielt sich zwei Tage von Ruby fern.
Im Hinblick auf seine geschäftliche Karriere in dieser Stadt war der Hochzeitsempfang vielleicht ein wichtiger Schritt nach vorn gewesen, in jeder anderen Hinsicht aber hatte er verheerend gewirkt. Er war einfach zu empfänglich für seine bezaubernde Frau.
An jenem Abend hatte er ihr ein wenig sein Herz geöffnet und sich bis heute noch nicht davon erholt. Viel zu viel hatte Ruby gesehen: seine tiefsten Ängste, seine Verletzlichkeit … Jax musste dringend einen Schutzwall zwischen sich und ihr errichten, bevor er noch mit seiner ganzen kläglichen Lebensgeschichte herausplatzte.
Also hatte er sich den Terminkalender bewusst übervoll gepackt: zwei ganze Tage lang eine
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