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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mitgebracht?«
    »Eine Freude sollte es Ihnen machen. Wir können immer Freunde sein.«
    »Ich liebe dich, Victor Juwanowitsch«, sagte Owanessjan leise. In diesem Augenblick konnte man wirklich Mitleid mit ihm haben. »Es … es ist hart, das andere zu sehen …«
    »Mit uns beiden wäre nie etwas möglich gewesen, Dshuban Kasbekowitsch. Bleiben wir trotzdem Freunde?«
    Dr. Owanessjan nickte. Sein trauriger Blick glitt über Abukow; es war wie ein Abschied von einer großen Liebe. »Wir bleiben es«, sagte er dann etwas mühsam.
    »Und Sie wirken bei meinem Theater mit?«
    »Ja, natürlich.«
    »Treten der Gewerkschaft der Künstler bei?«
    »Auch das.« Owanessjan wischte sich mit der Hand über das Gesicht. Als er sie zurückzog, war er wieder der alte. Es war erstaunlich, wie schnell er die neue Situation beherrschte. »Wie … wie ist das denn gekommen zwischen Larissa und dir …?«
    »Es war unausweichlich, ganz einfach Schicksal. Wie bei Elementen, die miteinander verschmelzen müssen, weil es natürlich ist. Verstehen Sie das, Dshuban?«
    »Ja.« Dr. Owanessjan steckte die Hände in die Taschen seines weißen Arztkittels. »Es muß himmlisch sein, so zu lieben und geliebt zu werden.«
    Aus dem Zimmer wurde jetzt der Amputierte gerollt, er stöhnte leise. »Ich muß in den OP«, sagte Dshuban. »Wann reden wir weiter?«
    »Nach der Selektion. Ich werde die Eintragungsliste für die Gewerkschaft mitbringen.«
    Abukow wartete, bis Owanessjan und der Amputierte um die Biegung des Flures verschwunden waren. Als er weiterging, begegnete er Professor Polewoi, der ihn vorwurfsvoll ansah und sagte: »Ich weiß es … Diese Nacht habe ich nicht schlafen können. Ich sehe alles … Das ist nun das Ende, Victor Juwanowitsch.«
    »Der Anfang ist es, Georgi Wadimowitsch. Ein Neubeginn!«
    »Die Gemeinde hat auf dich gewartet. In der Schreinerei, wie bestellt. Alle waren sie da. Unter Lebensgefahr, du weißt es. Aber er kam nicht, unser Priester. Bis Mitternacht haben sie gewartet, und dann haben wir gebetet und leise unser Lied gesungen: ›Befiehl, o Herr, den Weg, der unser ist, geleite uns in deine Gnade …‹ Und immer noch nicht kam unser Priester, der uns zusammengerufen hatte. Wie konnte er auch kommen? In den Armen von Larissa Dawidowna lag er doch …«
    »Ich bin ein sündiger Mensch«, sagte Abukow und senkte den Kopf. »Aber ich habe euch deswegen nicht verlassen. Und ich werde es euch beweisen. Behaltet euer Vertrauen.«
    »Schwer wird das sein. Sehr schwer, Victor Juwanowitsch.« Polewoi fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das abstehende weiße Haar.
    »Wir fangen noch heute in der Kraftfahrzeughalle III mit dem Bau der Bühne an. Ich werde versuchen, daß Rassim mir Schreiner freigibt.«
    »Und Larissa Dawidowna? Sie ist nicht mehr auf unserer Seite.«
    Abukow schüttelte den Kopf. »Begreift ihr denn nicht, was sie bisher für euch getan hat? Seid ihr alle blind?«
    »Für einen Sterbenden ist ein Tropfen Wasser mehr auf seinen Lippen kaum noch von Bedeutung«, sagte Polewoi dumpf. »Laß erst den neuen Winter kommen – wer wird ihn überleben?«
    Er wandte sich ab und ließ Abukow stehen, der mit gesenktem Kopf das Hospital verließ und hinüberging zu Mustai in die Limonadenfabrik. Mirmuchsin saß neben seinem Bett und nahm sein Frühstück zu sich. Knackfrische Brötchen aus der Lagerbäckerei, Butter und gekochten Schinken. Dazu trank er grünen Tee, gewürzt mit Tannenhonig. Er hob den Kopf, als Abukow eintrat, sah ihn kurz an, fand kein Wort der Begrüßung, sondern aß weiter, als sei der andere gar nicht im Raum.
    »Gott segne deine Mahlzeit«, sagte Abukow und setzte sich auf das Bett.
    Mirmuchsin verzog sein Gesicht, rülpste provokativ, nahm einen Schluck Tee, ließ ihn im Mund kreisen und schluckte ihn erst dann hinunter.
    »Eis ist nebenan in der Kühlmaschine«, sagte er unvermittelt.
    »Wieso Eis?« fragte Abukow, froh, daß Mustai überhaupt sprach.
    »Um deinen Schwanz zu kühlen …«
    »Willst du unbedingt, daß ich dich ohrfeige?« fragte Abukow und stand auf.
    »Versuch es!« Mustai biß in das Brötchen und ließ es zwischen seinen Zähnen knacken. »Im nächsten Limonadenkessel ersäufe ich dich! Und das Getränk verkaufe ich zum doppelten Preis. Jeder wird einen Schluck davon haben wollen, um dich dann symbolisch wegzupinkeln. Wird das ein Geschäft werden!« Mirmuchsin hob die Nase und schnupperte wie ein Hund. »Du stinkst nach Weib. Nach verfluchtem Tschakowskaja Schweiß

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