Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
lief nackt unter einem breiten Badetuch durch sein Zimmer, als Abukow klopfte.
    »Nein!« brüllte Rassim sofort. »Wer es auch ist: Leck mich am Arsch!«
    Abukow trat ein. Rassim fuhr wie von der Tarantel gestochen herum und öffnete den Mund zu einem fürchterlichen Gebrüll. Aber als er Abukow sah, sagte er nur gepreßt: »Auch Sie habe ich gemeint!«
    »Darum bin ich hereingekommen, Genosse Kommandant.« Abukow lächelte entwaffnend. »Ihre Einladung nehme ich an. Ich sehe, Sie sind frisch gebadet und der Kleidung nach bereit.«
    Einen kurzen Moment stutzte Rassim, dann verzog sich sein breites Bullengesicht zu einem Lachen. »Ein frecher Hund sind Sie, Victor Juwanowitsch«, sagte er und rubbelte sich mit dem Badetuch ab. »Was wollen Sie? Mein Dienst hat noch nicht begonnen.«
    »Gleich rücken die Arbeitsbrigaden aus. Da benötige ich vorher Ihre Entscheidung. Ich brauche mindestens zehn Schreiner.«
    »Rechnet man heute mit soviel Särgen?« fragte Rassim böse.
    »Bis zum Mittag ist die Halle III ausgeräumt, dann beginnen wir mit dem Bau der Bühne. Genosse Kommandant, Sie versprachen mir Ihre Unterstützung.«
    »Aha! Da haben wir's! Ein Kilo Pralinen und eine Flasche Bananenlikör aus Kuba sollten mich gefügig machen.« Rassim ließ das Badetuch fallen, lief nackt, mit Muskeln vollgepackt wie ein Auerochse, im Zimmer herum und stieg in seine kurze Unterhose. »Noch drei Minuten, Victor Juwanowitsch, und ich hämmere Sie vor die Tür.«
    »Es geht um unseren Pakt, Rassul Sulejmanowitsch: Das ›Theater Die Morgenröte‹ spielt, oder Sie jagen mich mit Peitsche und Hund davon. Aber ich muß die Chance haben, spielen zu können.«
    »Wieviel?« fragte Rassim knapp.
    »Fünfzehn Schreiner wären besser als zehn, Genosse Kommandant. Und die Erlaubnis, vom Holz- und Bretterlager zu entnehmen, was wir brauchen. Zuteilung von Nägeln, Schrauben, Werkzeug und Material aus der Schlosserei und Schmiede.«
    »Sie stellen mein Lager auf den Kopf, Abukow! Warum höre ich Sie eigentlich so ruhig an und gebe Ihnen keinen Tritt in den schmalen Arsch?« Rassim zog seine Hose an und stülpte das Hemd über seinen Kopf. Als er wieder auftauchte, sagte er: »Oberst Kabulbekow vom Frauenlager hat mich angerufen. Bei dem waren Sie ja auch und haben ihm den Verstand weggesungen. Sagt er doch zu mir: ›Mein lieber Kamerad, das mit dem Theater ist eine glänzende Idee. Habe hier neun Schauspielerinnen und sechs Sängerinnen, die mitmachen. Ungeheure Talente. Habe sie vorsprechen und vorsingen lassen. Gestehen wir es: Ich freue mich auf Abukows Theater.‹ – Was soll man da antworten, als ins Telefon zu spucken? Kabulbekow! Vergreist er schon? Will mir Weiber schicken – zu tausend Männern! Die schaben sich ja die Hosen durch! Haben Sie ihm den Blödsinn eingeredet?«
    »Ich habe es nur zur Debatte gestellt.«
    »Und Belgemir Valentinowitsch, dieser Verkalkte, tanzt sofort im Kreis herum! Abukow, Sie sind gefährlicher als jeder Dissident. Aber nur ich sehe das. Selbst Jachjajew orgelt mir etwas vor von einem Kulturauftrag, den wir haben.« Rassim zog seinen Uniformrock über und knöpfte ihn zu. »Also: Die Schreiner bekommen Sie und das Material!« Er griff zum Telefon, rief den wachhabenden Offizier an und befahl, aus dem Lager fünfzehn Schreiner freizustellen. »Zufrieden, Sie Gaukler?«
    »Irgendwie hat man Sie verkannt, Genosse Kommandant«, sagte Abukow geschmeidig. »Sie haben doch ein Herz.«
    »Irrtum, Victor Juwanowitsch. Ich bereite mich nur auf den Tag vor, an dem ich Sie wegpeitsche!« Rassim grinste böse und schnallte sein Koppel mit der dicken Pistole um. »Für jeden Gefallen, den Sie mir abnötigen, ein Schlag. Das wird ein Fest!«
    Es klopfte wieder. Rassim brüllte »Ja!«
    Leutnant Sotow trat ein. Sein Gesicht war rot vor Erregung:
    »Genosse Kommandant, es ist nötig, daß Sie zum Hospital kommen. Die Tschakowskaja hat bis jetzt vierzehn neue stationäre Einweisungen und neunundvierzig Innendienst selektiert. Ich habe protestiert – sie hat sich einen Stiefel ausgezogen und mir an den Kopf geworfen.«
    »Ist denn alles verrückt geworden?« schrie Rassim und griff nach seiner Mütze. »Abukow, da haben Sie ein Beispiel: Milde setzen sie gleich mit Schwäche. Oh, sie irren sich alle in Rassul Sulejmanowitsch!«
    Er stieß Abukow, der im Weg stand, zur Seite und rannte mit vorgestrecktem Kopf, wie ein Rammbock, aus dem Zimmer.
    Was im Hospital geschah, konnte Abukow im Augenblick nicht erfahren.

Weitere Kostenlose Bücher