Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
es ihm entgegenschreien. Ich liebe Victor Juwanowitsch, deinen Knecht und Priester! Hör mich an, Gott: Nichts bereue ich! Wenn du das nicht verstehst dort oben, dann wende dich ab von uns! Wir brauchen dich nicht!« Sie streichelte wieder sein Gesicht. »Brauchen wir ihn denn, mein Liebling?«
    »Ich bin sein Diener und nur des Auftrages wegen, sein Wort in der Knechtschaft und Verfolgung zu verkünden, nach Sibirien gekommen.«
    »Kann man nicht lieben wie ein Mensch und trotzdem predigen? Was heißt Gelübde? Diese unmenschliche Vorschrift ist von eifernden Fanatikern aufgestellt worden, nicht von Gott.«
    »Das Zölibat wurde im Jahre 306 auf der Synode von Elvira beschlossen.«
    »Man sollte nachforschen, ob der damalige Papst impotent war«, sagte die Tschakowskaja hart.
    »Es findet seine Begründung in der Bibel. Es steht in Matth. 19, 12 und im Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 7, Vers 32-34 …«
    »Dann streich diese Stellen aus der Bibel weg«, sagte sie und seufzte. »Ich muß dir etwas sagen, Victorenka …«
    »Ja, mein Liebling …«
    »Du bist seit sieben Jahren wieder meine erste Liebe. Sieben Jahre …« Sie lehnte sich zurück, legte den Kopf weit in den Nacken und blickte gegen die Decke. Draußen schob sich die Dämmerung über die Taiga; wie jeden Morgen leuchteten die Baumwipfel dunkelviolett und zogen sich Streifen über den Himmel. »Fünfundzwanzig war ich, und Stepan war mein zweiter Mann. Der erste hieß Dmitri; Studenten waren wir in Moskau, beide neunzehn, und wir liebten uns ein Jahr – bis Dmitri eine Ärztin kennenlernte und zu ihr zog. Sie hatte gute Verbindungen zur Universität, und Dmitri bestand später alle Examina mit Auszeichnung. Stepan, der zweite, war auch Arzt, Oberarzt in der Lungenklinik von Rybinssk. Als Assistentin kam ich hin, ein schöner großer Mann war er, mit schwarzen Locken, und er lachte immer und war fröhlich. Immer, wenn und wo es möglich war, tanzte er. Wir tanzten sogar im Röntgenraum um das Röntgengerät herum, wenn Tanzmusik aus dem Radio klang. Überall, wo er hinging, nahm er sein Radio mit. So einer war Stepan. Nach einem Jahr starb er qualvoll an Knochentumoren. Strahlenschäden … er war so leichtsinnig und stand jeden Tag stundenlang im Röntgenraum vor den kranken Lungen. Damals ging eine Welt für mich unter. Sieben Jahre lang … und dann bist du gekommen.«
    »Warum erzählst du mir das?« fragte Abukow und zog ihren Kopf zu sich hinunter. Sie blickten sich an, und er sah, wie ernst ihre Augen waren.
    »Du wirst der letzte sein«, sagte sie langsam. »Nichts kommt mehr nach dir. Nichts – nur der Tod! Das sollst du wissen.« Sie befreite ihren Kopf aus seinem Griff und blickte zum Fenster. »Der Morgen ist gleich da, Victor, mein Leben! Willst du dich fortschleichen? Zwei Augen genügen, und sofort weiß es das ganze Lager. Mir ist es gleichgültig. Ich sage es jedem: Ich liebe Victor Juwanowitsch.«
    Als die Sonne über den Wäldern emporstieg, duschte sich Abukow, und die Tschakowskaja seifte seinen Körper ein, massierte ihn unter dem Wasserstrahl, küßte ihn von der Stirn bis zu den Zehen, trocknete ihn ab und benahm sich, als sei sein Weggehen ein Abschied für immer.
    Dann war sie allein, betrachtete ihren wassertropfenden Körper in dem großen Wandspiegel, strich mit den Händen über Brust, Bauch und Hüften und verging in Glück und Sehnsucht. »Nun wird alles anders, Larissa Dawidowna«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, und der Spiegel warf ihre leuchtenden Augen zurück. »Wir werden über dieser Hölle den Himmel herunterziehen …«
    Abukow hatte kaum die Wohnung der Tschakowskaja verlassen, da stieß er auf Dr. Owanessjan. Der Chirurg kam aus einem Krankenzimmer, in dem ein Frischoperierter lag. Der noch diensthabende Nachtpfleger hatte ihn alarmiert, weil am Amputationsstumpf eine Nachblutung aufgetreten war.
    Betroffen blieb Dshuban stehen. Wer beim Morgengrauen aus der Wohnung der Tschakowskaja kam, den brauchte man nicht mehr zu fragen, was passiert war. Seine schwarzen Augen flatterten; es war eine ungeheuerliche Enttäuschung für ihn.
    »So ist es, Dshuban Kasbekowitsch«, sagte Abukow ruhig und kam näher. »Ja, ich war die Nacht über bei ihr …«
    »Du hast mich verraten«, antwortete Owanessjan dumpf.
    »Ich habe niemals so empfunden wie Sie, Dshuban. Leider ist es mir bis heute nicht gelungen, Ihnen das klarzumachen. Nun sehen Sie es.«
    »Warum hast du mir denn das Magazin aus Tjumen

Weitere Kostenlose Bücher