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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kultur? Er sollte einmal lesen, wie wir uns den Aufbau Sibiriens vorstellen.‹ ja, das wird er sagen. Leben Sie wohl, Genosse Oberstleutnant!«
    Rassim blieb mit stummer, knirschender Wut zurück, schnallte Koppel und Pistole um und lief dann hinüber zum Hospital, um der Tschakowskaja auf die Finger zu sehen.
    Nun also verabschiedete sich Abukow von allen, zuletzt von Mustai , der neben der Autotür stand und sie offenhielt. »Wann kommst du wieder?« fragte er.
    »Das weiß nur Smerdow in Surgut. Euer Magazin ist voll.« Abukow beugte sich zu Mustai herunter, kam nahe an sein Ohr: »Sind alle Dinge verteilt?«
    »Das Fleisch, die Hühnchen, das Fett, die Marmelade, Zucker, Grieß, Mehl, Eier und Nudeln sind in der Nacht abgeholt worden.« Mustai lächelte breit. »Der General hat sofort seinen Anteil aufgefressen – zwei Eierchen, knack, und schon getrunken. Dazu drei Löffel Marmelade. Als er das Fleisch roh fressen wollte, hat ihn der Schriftsteller Arikin in den Hintern getreten. Sehr vorsichtig müssen sie sein, überall lauern Verräter. Jachjajew hat für Hinweise eine Belohnung versprochen; in besonderen Fällen will er sogar einen Antrag auf Strafverkürzung nach Moskau schicken.«
    »Und diesen verlogenen Zeugen glaubt man?«
    »Man glaubt hier alles, was das Leben retten oder wenigstens erleichtern könnte. Wir haben jetzt gegen Hunderte von gierigen Augen zu kämpfen.« Mirmuchsin umarmte Abukow und küßte seine Wangen. »Sei vorsichtig, Victor Juwanowitsch . Rede dir niemals ein, daß Jachjajew dich schützt, weil du ihm Braten und andere schöne Dinge bringst. Im Gegenteil: Um sich selber zu schützen, hängt er dich an den nächsten Baum. Wie bei den Wölfen ist's: Ein kranker oder verwundeter Wolf wird zur Last und zur Gefahr für das Rudel, also zerreißt man ihn gemeinsam.« – Er gab Abukow einen Klaps auf die Schulter: »Und nun fahr ab, Freundchen! Wird's schwer sein ohne Larissa?«
    »Ja … ich glaube.«
    »Ein Mensch in Sibirien muß zwei Geliebte haben«, sagte Mustai fast feierlich: »Ein Mädchen und eine Flasche Wodka … sonst ist das Unglück da!«
    Er schlug die Autotür hinter Abukow zu, winkte noch einmal durch die Scheibe und ging dann mit seinen krummen Beinen zurück zu seiner Limonadenbrauerei. Abukow ließ den Motor aufheulen, löste die Bremse, gab Gas und warf beim Abfahren noch einen letzten Blick auf das Hospital.
    Drei Tage lang führte er in Surgut ein ruhiges Leben. Die Lager an der Trasse waren versorgt, und für den Nachschub der Baukolonnen waren andere Brigaden zuständig, die auf gewaltigen Speziallastwagen Maschinenteile, Rohre, tonnenschwere Betonfertigteile, Eisenkonstruktionen für Brücken und Träger, Motoren und riesige Werkzeugkisten transportierten. Außerdem war ständig eine kleine Luftflotte unterwegs – teils große Lasthubschrauber, teils massige, propellerbetriebene Transportmaschinen, die auf den notdürftig ausgewalzten Pisten entlang der Erdgast rasse landen konnten und sogar zusammengelegte Riesenkräne und Raupenbagger an die Einsatzorte brachten.
    Smerdow s Brigaden, grundsätzlich nur für die Versorgung der Straflager zuständig, fuhren in der Zwischenzeit – bis zu den neuen Lieferungen – zwischen Güterbahnhof und Zentrallager hin und her und holten neue Lebensmittel ab, die per Eisenbahn aus Tjumen, Swerdlowsk oder gar aus dem Süden, von den weiten Feldern Kasachstans kamen. Oder sie luden Waggons mit Kleidung, Unterwäsche, Stiefeln, Strümpfen, Hemden, Pullovern und Mützen aus; Material für die Sträflinge, um ihnen im kommenden Winter die klirrende Kälte erträglicher zu machen.
    Erstaunlich war nur, daß all die schönen Dinge zwar in Surgut eintrafen und abgeladen wurden, auch ins Zentrallager kamen und dort gestapelt wurden – aber wenn der Winter einsetzte und die zerlumpten Gestalten in den Lagern zu ihren ebenfalls zerlumpten alten Wintersachen griffen, stellte man im Zentrallager bei der Kleidung einen ungeheuren Schwund fest und konnte nur einen geringen Teil der im Sommer angelieferten Wattejacken, Stiefel und Mützen an die Lager weitergeben.
    Smerdow regte das nicht sonderlich auf. Er nahm die alten Listen aus der Mappe, verbrannte sie, fertigte eine neue Bestandsaufnahme an, und nach dieser lieferte er – korrekt hundertprozentig – alles an die wartenden Sträflinge aus. Würde es jemals eine Kontrolle geben, stimmte alles bis auf einen Handschuh. Nach den alten Lieferlisten vom Sommer fragte niemand. Wo waren

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