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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hat ihren Priester. Der Priester ist ein Mensch geworden. Und ich habe dich bekommen. Was kann man sich noch mehr wünschen?«
    Es wurde ein stiller Abend und eine noch stillere Nacht. Sie lagen nebeneinander auf dem Bett. Es war zu heiß, um sich zuzudecken. Der Schweiß trat aus allen Poren, vor allem nach dem starken Krimwein, und überzog ihre nackten Körper wie ein Film. Sie lagen Hüfte an Hüfte, Schulter an Schulter, aber sie berührten sich nicht weiter, ihre Hände blieben ruhig, ihr Verlangen blieb tief in ihnen, wie eingeschlossen in einen Panzerschrank.
    »Nun bereust du es doch«, sagte die Tschakowskaja einmal in dieser langen Nacht ohne Schlaf und ohne Leidenschaft.
    Er drehte den Kopf zu ihr, sah sie lange an und küßte sie mit seinen Blicken. Wie unwahrscheinlich schön ist sie, dachte er. Da hat man 35 Jahre gelebt in der Überzeugung, es lohne sich zu leben, um Gott zu dienen. Und dann ist etwas anderes Wunderbares da: eine Frau. Nur eine Frau. Und man weiß plötzlich, daß das Leben ein einmaliges Geschenk des Himmels ist und daß man für jede Stunde dankbar sein muß. »Laß mir Zeit, bitte«, sagte er leise und lächelte zaghaft.
    Am Montagmorgen stand er unausgeschlafen und müde an seinem Kühlwagen Nummer 11 und verabschiedete sich von Gribow , Nina Pawlowna , Mustai und Rakscha . Die ersten Lastwagen der Transportbrigade waren schon abgefahren – sie machten noch einen Umweg, um im Hauptlager der Trasse, bei Morosow , dreißig Facharbeiter mitzunehmen, die in Surgut oder Tjumen zu einem Facharzt mußten.
    Der Abschied von Larissa Dawidowna war kurz gewesen. Sie hatten sich geküßt, dann war die Tschakowskaja in die Ambulanz gegangen, um die morgendlichen Selektionen vorzunehmen. Auch Rassim war schon auf den Beinen voller Argwohn, daß wieder zu viele Arbeiter krank geschrieben werden könnten; deshalb wollte er bei den Untersuchungen dabeisein. Selbst Jachjajew wälzte sich bereits herum und griff sich Abukow , als er zu seinem Kühlwagen gehen wollte:
    »Morgen besuche ich Novella Dimitrowna «, sagte er augenzwinkernd. »Das Kleidchen bringen.«
    »Viel Glück dabei, Genosse«, antwortete Abukow . »Wenn sie sich weiter das Höschen zubindet, weiß ich keinen Rat mehr.«
    »Im allernötigsten Fall könnte man ihr drohen«, sagte Jachjajew schamlos – ein Beweis, daß er Abukow zu seinen intimsten Vertrauten zählte. »Jeder Mensch hat irgendwo einen Fleck, auch die süße Tichonowa … Ich habe eine Bitte, mein lieber Victor Juwanowitsch .«
    »Heraus damit, ich muß weg!«
    »Können Sie mir in Tjumen ein goldenes Armband besorgen?«
    »Ich will's versuchen, Genosse. Wie hoch der Preis?«
    »Gleichgültig.« Jachjajew winkte ab. »Etwas Besonderes soll es sein. Novella ist es wert.«
    Die Verabschiedung stockte bei Kommandant Rassim . Er weigerte sich strikt, eine Liste zu unterschreiben, auf der Abukow aufgezählt hatte, was er als das Nötigste für das Theater brauchte. Rassim las zehn Posten und warf das Schreiben dann Abukow vor die Füße.
    »Es wird Ihnen nicht gelingen, mich zu einem Popanz zu machen!« schrie er. »Ich soll unterschreiben, daß wir ballenweise Stoff, Borden, Leinwand, Pappe und Farben brauchen? Und was steht da noch? Zehn Violinen, drei Bratschen, drei Celli, zwei Baßgeigen, vier Trompeten, drei Posaunen, drei Flöten, zwei Klarinetten, zwei Oboen, zwei Waldhörner … Abukow , kommen Sie sofort mit! Ich stelle Sie unter eine eiskalte Dusche.«
    »Sie sollen es ja nicht bezahlen, Genosse Oberstleutnant, sondern nur bestätigen, daß wir das alles brauchen.«
    »Nichts unterschreibe ich!« brüllte Rassim . »Lächerlich mache ich mich ja!«
    »Ohne Instrumente keine Musik, Genosse.«
    »Lassen Sie auf Kämmen blasen, auf leere Benzinfässer trommeln … In der Karibik machen sie damit die schönste Musik! Auch Holzscheite können klimpern.«
    »Und wie würde dann Mozart klingen?«
    »Der Situation angemessen«, sagte Rassim mit Wonne. »Das Orchester der sibirischen Sträflinge – ein besonderer Klang! Gehen Sie weg, Abukow , mit Ihrem Zettel! Oder ich nehme ihn und gehe damit sofort zur Latrine.«
    Abukow verzichtete auf diese Demonstration des Unwillens, hob den Zettel vom Boden auf und steckte ihn in seine Rocktasche. »Das wird vieles verzögern«, sagte er dabei. »Wie soll man dem Genossen Kulturbeauftragten in Tjumen klarmachen, daß Sie kein Theater wollen? Fragen wird er: ›Na so etwas; der Genosse Rassim hält nichts von fortschrittlicher

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