Ein Kreuz in Sibirien
Genossen; sogar die Teppiche sind mitgekommen! Und die Gardinen! Na ja, es fehlt der Samowar des Großvaters und das grüne Sofa … Man kann's verschmerzen …« Bataschew grinste breit und lustig. »So sind sie, unsere Lieben. Nehmen das Leben hin, wie es eben ist. Ich aber habe mir gedacht: ein grünes Sofa, davor ein Tischchen und darauf ein schöner, alter Samowar – das gibt ein gutes Bühnenbild. Das muß auch deine Meinung sein, Victor Juwanowitsch .«
Abukow seufzte, nickte und verriegelte die Tür des Kühlwagens. Was hatte es für einen Sinn, Bataschew jetzt noch zurückzuhalten? So glücklich war er, Abukow helfen zu können. Das schien ihm viel nützlicher, als nur Güterwagen über verschiedene Gleise zu rangieren.
»Wir werden«, sagt Smerdow , »vielleicht nächsten Mittwoch einen Transport zum Lager JaZ 451/1 haben«, erklärte Abukow . »Er wartet noch auf die Anforderungen von Gribow .«
»Am Mittwoch werde ich einen eigenen Lastwagen haben, nur keine Sorge, Brüderchen.« Die Knollennase blinzelte Abukow an. »Kenne da ein Weibchen, das drei Lastwagen besitzt. Ist das zu begreifen? Läßt sie auf eigene Rechnung fahren, mit staatlicher Konzession. Eine junge Witwe ist sie. Ihr Mann, Felix Valentinowitsch Grigorjew , war ein geachteter Mensch, Parteimitglied, stellvertretender Sekretär der Transportgewerkschaft von Surgut, Mitglied des Feierabend-Chors und zweiter Sieger im Sportschießen. Wie's so kommt: Grigorjew fuhr im Winter über einen zugefrorenen See, um den Weg abzukürzen, aber seine Berechnung stimmte nicht – die Eisdecke gab nach, brach ein, und Grigorjew versank mit seinem Lastwagen im See. Schrecklich hat die Witwe geweint, warf sich in schwarze Kleider, lief herum, wie vor den Kopf geschlagen – das konnte ein weiches Herz, wie das meine, nicht lange ertragen.« Bataschew holte tief Luft. Die Erinnerung überwältigte ihn sichtlich. »Ich sprach ihr Trost zu, wir tranken Tee miteinander und aßen Honigkuchen. Spät wurde es, ich badete bei ihr. Und als sie meinen Körper sah, als ich meine Muskeln rollen ließ, da überkam sie neue Lebensfreude, denn Grigorjew – er sei selig – war ein schmaler Mensch mit dünnen Beinen und Armen gewesen, und so etwas wie mich hatte das schöne Witwechen noch nie gesehen. Ja, so ist das, Victor Juwanowitsch . – Gar keine Schwierigkeit, einen Lastwagen für den Möbeltransport zu bekommen. Nur fahren kann ich ihn nicht.«
»Du hast keinen Führerschein, Maxim Leontowitsch ?«
»Woher denn? Als ich ein berühmter Boxer war, wurde ich gefahren. Da drängten sie sich alle um mich: Ich nehme dich mit! Brüderchen, da steht mein Wagen! Komm, steig ein, mein Held! – Für jeden Körperteil hätte ich einen Wagen benutzen können. Und später …« Bataschew seufzte tief. »Alles lernt man im Lager, nur nicht Autofahren.«
»Aber du fährst doch ein Auto. Du bist doch gerade mit einem gekommen.«
»Alles nur nach Gefühl. In Surgut kenne ich mich aus und weiß: Da ist die Bremse, da das Gas, dort die Kupplung. Das genügt. Alles andere ist Gewohnheit. Aber so einen Lastwagen fahren … Abukow , noch nie habe ich das versucht.«
»Wir werden einen Ausweg finden«, sagte Abukow und dachte dabei an Mustai . »Der Wagen am Mittwoch morgen ist sicher?«
»So sicher, wie ich in der Hose stecke. Er steht da, beladen und vollgetankt. Vielleicht könnte ich bis Mittwoch an ihm üben?«
»Auf der Straße zur Trasse sind viele Milizkolonnen. Der Wagen würde sofort beschlagnahmt, wenn du keine Papiere hast. Nein, Bataschew , ich sorge für einen Fahrer.«
An diesem Abend, nach der Rückkehr von der Baustelle, hatte Abukow einen unverfänglichen Grund, die Telefonzentrale des Lagers anzurufen und den diensthabenden Feldwebel zu bitten, den Genossen Mirmuchsin an den Apparat zu holen. Er mußte fast zehn Minuten warten, bis er Mustai s keuchende Stimme hörte.
»Victor Juwanowitsch ?« rief er. »Oh, bin ich gelaufen! Die Lunge hängt mir im Gaumen. Warum hat man die Zeit nicht gemessen? Neuer olympischer Rekord wäre es gewesen. – Warum rufst du an?«
»Ich brauche dich, Mustai «, sagte Abukow kurz. »Dringend.«
»Wo?«
»In Surgut.«
»Muß jemandem der Kopf nach hinten gedreht werden?«
»Ich brauche einen Lastwagenfahrer.«
Einen Augenblick lang war es still, dann fragte Mustai mit schwerem Atem: »Bist du besoffen, Freundchen?«
»Theatermaterial ist es. Kennst du einen, der zwei Wagen gleichzeitig fahren kann?« Abukow überdachte
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