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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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noch:
    »Man hätte feststellen müssen, ob es Rindfleisch oder Rentierfleisch gewesen ist. Hat man das nachgeprüft?«
    »Nein …«, antwortete Jachjajew gedehnt. »Wer hätte denn daran gedacht? Ganz neue Ansichten sind das.«
    »Da hat man einen großen Fehler gemacht«, sagte Abukow freundlich. »Vergraben wir ihn in unseren Herzen, Jachjajew . Unter Freunden kann man schweigen.«
    Er winkte Jachjajew zu, verließ das Zimmer und atmete draußen auf dem Flur tief aus. Durch die Tür hörte er die Fortsetzung der Symphonie classique , aber er sah nicht, daß Jachjajew kaum noch den schönen Klängen zuhörte, sondern unruhig hin und her lief und die Fäuste gegeneinander schlug.
    Im Hospital wartete Larissa Dawidowna voller Unruhe auf Abukow . Nur bekleidet mit einem knappen, durchsichtigen Höschen lief sie ihm entgegen; als er eintrat, fiel sie ihm um den Hals und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Auf dem Tisch stand eine Flasche Krimsekt neben einer Silberschale mit Krendeln , das sind Brezeln mit Früchten und Nüssen. Bei Gribow und Nina Pawlowna in der Küche gab es alles.
    »Mein armer Liebling!« rief sie zwischen den Küssen. »Wie ernst du bist! Wie zerfurcht dein Gesicht! Ruh dich aus, trink ein Glas Sekt, leg dich hin, an meine Seite: Streicheln werde ich dich, bis du ganz ruhig bist, bis all der Ärger vergessen ist.«
    »Von Jachjajew komme ich gerade«, sagte Abukow , löste Larissas Arme von seinem Nacken und setzte sich schwer auf den Stuhl neben dem gedeckten Tisch. Sein Blick ging ins Leere.
    » Jachjajew ? So zahm wie selten ist er in den letzten Tagen«, sagte die Tschakowskaja , goß die Gläser voll Krimsekt und hielt Abukow ein Glas hin. »Nimm einen Schluck, Victorenka .«
    Abukow nickte, trank gierig den prickelnden Alkohol und legte den Kopf dann weit in den Nacken. Larissas nackte Gestalt neben sich sah er wie durch einen Schleier. Wer kann das begreifen, dachte er immer wieder. Wer kann das denn begreifen?
    »Du hast gehört«, sagte er mit schwerer Zunge, »was mit Novella Dimitrowna geschehen ist …«
    »Ja. Welch armes Mädchen. Ich mag sie nicht, aber dieses Schicksal ist schrecklich. Man muß Mitleid mit ihr haben. Morosow hat mir alles erzählt.«
    »Bevor sie überfallen und so übel zugerichtet wurde, habe ich ihr einen Brief an Wladimir Alexejewitsch mitgegeben …«
    Die Tschakowskaja veränderte sich sofort. Sie stellte ihr Glas hart auf den Tisch zurück und fuhr sich mit der Hand nervös durch das schwarze Haar. Ihre schräg gestellten Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. Das glückliche, gelöste Gesicht wurde starr. »Einen Brief?« fragte sie noch mit dem alten, singenden Klang in ihrer Stimme. Aber schon die nächsten Worte kamen seltsam hart: »Du hast der Tichonowa einen Brief gegeben? Wo denn und wie denn?«
    »In Surgut habe ich sie getroffen«, sagte Abukow wie abwesend.
    »Getroffen? Mit ihr zusammen warst du?«
    »Ja. Einen ganzen Abend. Im Kino waren wir, dann in einem Restaurant …«
    »Welch eine wieselschnelle Hure.«
    »Wir trafen auch Jachjajew «, sagte Abukow . Larissas Worte waren so weit weg von ihm, daß er nur ihren Klang hörte, aber nicht den Sinn aufnahm. »Im Kino traf ich ihn. Im Vorraum, bei den Süßigkeiten. Novella wollte Honigbonbons …«
    »Wie gut wären Kieselsteine gewesen, an denen sie ersticken soll!«
    »Der Ingenieur Tscheljabin nahm sie dann mit zum Dorf, und auf der Straße geschah es: Tscheljabin der Schädel zertrümmert, Novella vergewaltigt. Und der Brief, den sie ins Kleid gesteckt hatte, war weg … Jetzt liegt der Brief auf Jachjajews Schreibtisch!«
    Abukow sah Larissa aus flackernden Augen an. »Begreifst du das, Larissanka ? Verstehst du, was das heißt?«
    »Ich verstehe, daß sie bei dir war, einen ganzen Abend lang, eine Nacht«, sagte die Tschakowskaja hohl, voller Haß. »Umarmen möchte ich den, der sie vergewaltigt hat …«
    »Wer den Brief hat, der ist auch der Täter!« schrie Abukow und sprang auf. »Larissa, begreif es doch: Jachjajew ist dieses Vieh!«
    »Dank sei ihm! Ewiger Dank!« schrie sie zurück. »Das Hürchen hat bekommen, was es braucht!«
    Entgeistert, von ihrem Ausbruch wie zu Boden geschlagen, starrte Abukow die Tschakowskaja an. »Was sagst du da?« stammelte er. »Mein Gott, Larissa – was hast du da gesagt?« Er griff nach seinem Glas Krimsekt, aber mit einer schnellen, geradezu wilden Bewegung schlug es ihm Larissa aus der Hand. Klirrend zerschellte es an der Wand. »Bist du

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