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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frauenlager, bekommt er am Sonntag die Arme nicht mehr hoch.
    Am Nachmittag, als Bataschew den von Mustai bereits angemeldeten Antrittsbesuch bei seinem Intimfeind Gribow machte und mit Kuchen, Sahne und armenischem Tee bewirtet wurde, rief Rassim seinen Kollegen im Frauenlager an. Oberst Kabulbekow war erfreut, seine Stimme zu hören.
    »Mögen Sie es merkwürdig finden, mein lieber Belgemir Valentinowitsch «, sagte Rassim , sich behutsam an das Problem herantastend, »aber ich komme mit einem ausgefallenen Wunsch zu Ihnen. Nur Sie können mir da helfen.«
    »Das höre ich gern«, antwortete Kabulbekow erfreut. »Schätze mich glücklich, Ihnen meine Freundschaft zu beweisen.«
    »Ein Weib brauche ich!« Rassim atmete tief auf. »Ein mannstolles Weib, das vor Verlangen und Geilheit ihr Holzbett anknabbert. Ein vulkanisches Weib! Haben Sie so etwas im Lager?«
    Kabulbekow schwieg eine Weile betroffen, wischte sich über die Augen und dachte ganz natürlich: Rassims Gehirn hat einen Schaden erlitten. Vorsichtig antwortete er deshalb: »Darf ich fragen, mein lieber Rassul Sulejmanowitsch , wie es Ihnen gesundheitlich geht?«
    »Mißverstehen Sie mich nicht, mein lieber Freund!« rief Rassim sofort und errötete sogar, so arg traf ihn Kabulbekow s Frage. »Nicht für mich ist das Weib. Einem guten … Bekannten möchte ich einen Gefallen erweisen.«
    »Mit einer meiner Furien?«
    »Der gefährlichsten und ungebändigtsten! Haben Sie so etwas?«
    »Eine Auswahl wie in einem Kaufhaus! In allen Alterslagen und Körperformen. Wie soll sie aussehen?«
    »Hinreißend.«
    »Nach Lagerleben und Arbeitseinsatz? Ich habe hier kein Mannequinstudio! Immerhin, wenn man sie badet, abschrubbt, entlaust und etwas herrichtet, könnte ich etwas Vulkanisches hinüberschicken. Soll es sofort sein? Und für welche Zeit?«
    »Bis Sonntagmorgen wird sie gebraucht. Oh, Belgemir Valentinowitsch , ich danke Ihnen von Herzen.«
    »Was macht das Theater?« fragte Kabulbekow interessiert.
    »Die Bühne steht. Vor einigen Stunden ist Abukow wiedergekommen mit neuem Material.«
    »Wie gern höre ich das!« rief Kabulbekow . » Rassul Sulejmanowitsch , ich komme persönlich hinüber und bringe die ausgewählten neunzehn Schauspielerinnen und Sängerinnen mit.«
    »Was wollen Sie?« rief Rassim und starrte ziemlich blöd gegen die Wand, wo das Farbfoto von Lenin hing. »Was reden Sie da?«
    »Wir beteiligen uns doch an dem Kulturprojekt. Haben Sie das vergessen, Genosse? Auch neunundsechzig Frauen, die ein Instrument spielen, haben sich gemeldet. Wir sind noch dabei, die besten herauszusuchen. Große Talente darunter, sage ich Ihnen! Zuerst aber komme ich mit den Darstellerinnen. Abukow will sie sich ansehen und anhören.«
    »Ein Glück, daß ich die Idee mit den Hunden hatte«, sagte Rassim mit schwerer Zunge. »Die werden meine Schurken davon abhalten, aus der Bühne einen Puff zu machen. Fünfundzwanzig auf den Mann dressierte Hunde habe ich hier; sie werden eine Mauer bilden, solange Ihre verdammten Weiber bei mir sind, Belgemir Valentinowitsch .«
    Halbwegs zufrieden, aber mit neuer Sorge der kommenden Weiber wegen legte Rassim auf. Man hätte Abukow aufs Hirn schlagen sollen, dachte er. Gleich zu Beginn. Nun ist alles im Fluß und kaum noch aufzuhalten. Die schöne Lagerordnung wird durchlöchert, und das auch noch mit Billigung der oberen Genossen, die weit weg sitzen und die Situation hier nicht kennen. Zu Stalins Zeiten hätte man sich darüber krummgelacht oder die Initiatoren gleich mit eingesperrt.
    Er zog seinen leichten, hell lehmfarbigen Sommeruniformrock an, stülpte die Mütze auf die Haare und verließ die Kommandantur, um sich Bataschews Möbel aus der Nähe anzusehen.
    Am Abend, nachdem die Brigaden von den Sümpfen und Wäldern eingerückt waren und gegessen hatten, kam Abukows Gemeinde im Theatersaal zusammen und versammelte sich auf der Bühne. Zur Sprechprobe laut dem handgeschriebenen Plakat, das Polewoi an die Wand geheftet hatte. Außerdem mußte die Lagerleitung die Erlaubnis geben, daß diese Strafgefangenen das Lagerinnere verlassen und zur Halle III gehen durften.
    Schon beim Betreten der Bühne merkte Abukow die Kälte, die ihm von seiner Gemeinde entgegenschlug. Er trug wieder seinen schwarzen Anzug und das weiße Hemd – das einzige, was ihn äußerlich für die Eingeweihten als Priester kennzeichnete. Aber während noch vor zehn Tagen alle die Köpfe senkten, um seinen stummen Segen zu empfangen, starrten ihn jetzt

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