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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seinen Chef genügte.
    »Ich entlasse euch alle aus der Verantwortung«, sagte Morosow dumpf, als ihn seine Ingenieure wortlos umringten. »Allein ich bin schuldig. Ich weiß, daß viele von euch gegen das Projekt waren – sie hatten recht! Vor allem Sie, Genosse Jassenski . Ich bitte Sie deshalb auch, den Bericht an die obere Baubehörde zu schreiben. Schonungslos! Ich werde ihn dann gegenzeichnen.«
    »Wir haben lange darüber diskutiert, Wladimir Alexejewitsch «, entgegnete Jassenski und schluckte dabei mehrmals. »Wir stehen zu Ihnen. Eine solche Wasserkatastrophe ist höhere Gewalt.«
    »Diskutieren Sie nicht über höhere Gewalt, Jassenski !« Morosow zog seinen durchnäßten Mantel aus. »Was Gewalt ist, werden Sie alle in Kürze spüren. Mich bedrückt nur, daß ich Ihnen allen meinen Willen aufgezwungen habe – Ihnen, den Planungsstäben, den Prüfungsbehörden.«
    »Sie sind damit alle schuldig, Genosse!« rief Jassenski .
    »Aber nur einen Schuldigen darf es geben. Merkt euch doch endlich das erste, heiligste Gebot des Staates: Ein Beamter irrt sich nie! – Jassenski , Sie schreiben den Bericht. Noch heute nacht will ich ihn lesen.«
    Er drehte sich um und verließ das große Versammlungszimmer. Erst in seinen Privaträumen merkte Morosow , daß Abukow noch immer bei ihm war. Er ging zu einem Wandschrank, holte eine Flasche Wodka und zwei hohe Gläser heraus und kam zu Abukow zurück, der sich in einen der Korbsessel geworfen hatte. Diese Möbel waren Morosow s ganzer Stolz; Korbsessel aus Armenien im tiefsten Sibirien. Nur Rassim besaß noch einen, er hatte ihn Morosow abgehandelt gegen einen schweren Revolver mit hundert Schuß Munition. Dumdumgeschosse. Patronen mit abgesägter Spitze. Wenn sie in einen Menschen einschlugen, konnte man eine Faust in die Wunde legen.
    »Trinken Sie einen mit, Victor Juwanowitsch ?« fragte Morosow .
    »Zwei, Wladimir Alexejewitsch . Zwei große, volle …«
    »Seit wann saufen Sie?«
    »Sibirien hat mir das beigebracht. Denken Sie nicht, ein Priester könnte sich nur in das Gebet retten. Ich habe Flaschen ausgesoffen, bis ich den Mut aufbrachte, zu Gott zu sagen: Meine Liebe zu Larissa Dawidowna gebe ich nicht auf. Bestraf mich dafür, Herr, wenn ich vor dir stehe, aber jetzt bin ich noch auf der Erde!«
    Morosow goß die Gläser voll und reichte eins Abukow . Einen ruhigen Eindruck machte er; so, als sei ein großer Druck von ihm genommen.
    »So hat jeder eine Last zu tragen«, sagte er und versuchte sogar ein Lächeln. »Mir wäre Ihre Sünde mit Larissa lieber als mein Problem.« Er hob sein Glas: »Auf unser verpfuschtes Leben, Abukow . Auch Ihr Leben ist aus der Bahn geraten. – Wollen Sie hier schlafen?«
    »Ich dachte es so.«
    »Als Wachhund neben meinem Bett?« Morosow machte eine weite Handbewegung: »Bitte, Pater. Sogar neben mich können Sie sich legen. Ich dufte allerdings nicht so verführerisch wie die Tschakowskaja .«
    Sie tranken, bis es klopfte und Jassenski eintrat. Er legte den Bericht auf den Tisch, sah Morosow stumm an und verließ ebenso wortlos wieder das Zimmer. Morosow nahm das Papier, las es und warf es zurück auf den Tisch.
    »Idioten!« sagte er. »Alles Idioten! Bekennen sich mitschuldig und nennen das dann auch noch Kameradschaft, Freundschaft!«
    »Sie sollten stolz auf diese Jungen sein.«
    »Ihr ganzes schönes Leben versauen sie damit, und ich trage die Schuld. Wie kann man das mit sich herumschleppen? Daran denken sie nicht … Abukow , Priesterlein, kommen Sie, lassen Sie uns saufen, bis wir umfallen! Warum hat man den ersten Wodkabrenner nicht heiliggesprochen? Das sollten Sie mal nach Rom schreiben.«
    Es war später nicht festzustellen, wann Abukow vom Wodka gefällt und besinnungslos geworden war. Er lag jedenfalls noch auf den Dielen neben dem Korbsessel, als Jassenski ihn wachrüttelte, und da war es bereits heller Tag.
    »Was ist?« stotterte Abukow mit bleischwerer Zunge. » Jassenski , wie sehen Sie aus? Wo ist Morosow ?«
    »Kommen Sie mit!« Jassenski war dem Weinen nahe, sein Gesicht zuckte. »Im Kartenraum … inmitten seiner Pläne … mit dem Revolver und den abgesägten Patronen … Er … er hat keinen Kopf mehr.«
    Und dann sank er in den Korbsessel und schlug beide Hände vor sein Gesicht.
    Sofort erschien eine Sonderkommission aus der Bauzentrale in Swerdlowsk. Das KGB aus Tjumen schickte drei seiner besten Offiziere in das Baudorf in der Taiga. Drei Tage später war das Unwetter zu Ende. Noch einmal schien

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