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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frage ich: Warum kommt dann nichts zurück? Antwort: Schnell ist nur eine Mondrakete. Und als ich schreie: Im Sommer brauchen wir keine Steppjacken mehr!, da sagen sie bei der Verwaltung: Das Wetter haben wir nicht gemacht. – Warum soll man sich schriftlich beschweren? Irgendwo verstauben die Briefe.«
    »Eine Idee ist mir gekommen«, sagte der traurige Wolozkow . »Wie groß ist Ihr Theaterensemble, Abukow ?«
    »Ganz verschieden ist es; je nachdem, was wir aufführen.«
    »Ihre Stammtruppe, nennen wir es so. Darsteller, Musiker, Techniker …«
    »Vielleicht fünfunddreißig Mann. Dazu die Mädchen …«
    »Fünfunddreißig«, sagte Wolozkow sinnend. »Die Arbeit an der Erdgasleitung dürfte nicht zusammenbrechen, wenn diese fünfunddreißig bei den Brigaden fehlen.«
    In Abukow s Brust stieg eine heiße Welle hoch und spülte bis in seinen Kopf. Er zog das Kinn fest an, weil er meinte, man könne ein Zittern sehen.
    »Sie … Sie wollen … Ilja Stepanowitsch … meine Theatertruppe.«
    »Mit dem Genossen Oberst habe ich es vorhin durchgesprochen. Man könnte Ihr ›Theater Die Morgenröte‹ als eine feste Einrichtung in die geistige Erziehung einbauen, gefördert von der Zentralverwaltung. Verraten will ich es Ihnen: Kontakte mit den höheren Stellen habe ich bereits aufgenommen. Das ›Theater Die Morgenröte‹ als gesellschaftliche Aufgabe, als herumreisende Truppe. Ganz im Sinne der kulturellen Volksarbeit ist das.«
    »Herumreisen …«, sagte Abukow ergriffen. »Wir sollen …«
    »Zunächst zu mir, Victor Juwanowitsch !« Kabulbekow rieb sich die Hände. »Genau zweitausendvierhundertneunundzwanzig Frauen habe ich im Lager. Da können Sie, wenn ich den Nähsaal II jeweils umfunktioniere und dreihundert Lagerinsassinnen hineinbringe, schon achtmal bei mir spielen. Mindestens dreimal im Baudorf, hier bei Ihnen auch dreimal, und dann ist da noch das Lager Scheremskinsky bei Nishni Wartowskoje , eine Gruppe von vier Lagern unter der Aufsicht von Oberst Kalinin, da können Sie auch viermal spielen … Mehr als ein Staatstheater werden Sie zu tun haben, Victor Juwanowitsch . Mit Oberst Kalinin zu sprechen ist einfach. Wagner liebt er. Wenn Sie bei ihm jede Vorstellung mit einer Wagnermelodie eröffnen, verdreht er die Augen. Das ist doch möglich: Zuerst der Hochzeitsmarsch aus ›Lohengrin‹, dann die ›Lustige Witwe‹ …«
    Abukow mußte mehrmals schlucken. Was Wolozkow und Kabulbekow ihm da vorschlugen, war zu phantastisch, um es zu glauben. Ein Sträflingstheater auf Gastspielreise. Seine heimliche Kirche sich ausbreitend über das Land, über die Palisaden von 451/1 hinweg, den Ob hinauf und hinunter, in neue Lager, zu anderen gequälten, hoffnungslosen Menschen …
    Gehet hin in alle Welt … O Herr im Himmel, wie herrlich ist Dein Wort!
    »Weiß Rassim von Ihren Plänen?« fragte Abukow wie benommen.
    »Nein.« Wolozkow legte den Kopf zur Seite. Die Harfe klang aus dem Orchester auf und spielte ein Solo, eine ihm fremde, aber ungemein ergreifende Barockmusik. Wir werden es schaffen, dachte er. Allein bin ich jetzt, in Sibirien werde ich bleiben – ich werde mir ein eigenes, kleines, glückliches Land aufbauen. Eine Insel unter Tausenden von Verdammten. »Mit Rassim werde ich erst sprechen, wenn von der Zentralverwaltung in Perm die Genehmigung vorliegt.« Wolozkow blickte Abukow fragend an. »Ich möchte bei Ihnen mitmachen, Abukow .«
    »In meinem Theater …?«
    »Ja!«
    »Ein – verzeihen Sie, Genosse – ein KGB-Offizier in einem Sträflingstheater? Alles auf den Kopf stellt das.« Abukow dachte an das von den Frauen geschnitzte Zedernkruzifix, das jetzt in die Dekoration eingebaut war und das Wolozkow , wenn er auf die Bühne kam, nicht verborgen bleiben konnte. Wie war noch ein Gottesdienst zu halten oder eine Gebetsstunde, wenn Wolozkow unter den anderen stand? »Große Schwierigkeiten werden Sie bekommen, Genosse. Das ist zu überlegen. – Sie wollen mitspielen?«
    »Nein. Mein Talent ist dazu zu klein.« Wolozkow schüttelte den Kopf. »Lassen Sie mich der Organisator sein … zu Ihrem Nutzen ist das! Was dem Theater fehlt, bringe ich heran. Die Gastspiele verabrede ich.«
    »Bravo!« rief Kabulbekow . »Bravo! In der Wildnis haben wir ein Theater, um das man uns beneiden wird.«
    »Und für verrückt werden uns alle Rassims und ähnlichen Leute erklären«, sagte Abukow .
    »Zwar regieren immer Querköpfe die Welt«, meinte Kabulbekow gemütlich, »aber auch mein Kopf kann hart wie ein

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