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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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immer!« Smerdow biß wieder in sein Schinkenbrot und kaute voll Genuß. Er betrachtete Abukows Papiere gar nicht. Wenn ein Beamter frühstückt, ist er nicht im Dienst. »Kommen aus allen Winden daher und denken, sie könnten über die Straße rollen wie in Smolensk oder Moskau. Gas geben, und juchhei geht's davon! Fangen wir gleich an: Ich habe keinen Wagen frei.«
    »In Tjumen sagte man mir …«
    »Tjumen liegt von uns aus gesehen hinter dem Mond. Wenn die Zentrale in Tjumen uns einen Fahrer schickt, soll sie gefälligst den Wagen gleich an ihn dranbinden. Reifen haben wir genug, aber keine Fahrzeuge. Oder wollen Sie die Reifen einzeln durch den Sumpf rollen?«
    »In Perm garantierte man mir …«
    »Hören Sie mit Perm auf, Genosse!« keuchte Smerdow erschüttert. »In den Berichten aus Perm ist alles in bester Ordnung. Da läuft alles wie ein Quell. Da liest man von keinen Schwierigkeiten, da wird jedes Soll erfüllt. Und die Genossen in den Stäben bekommen ihre Verdienstorden. Aber hier draußen, in der Taiga, an der Trasse, da zittern ihnen die Arschbacken. Ich habe neunundzwanzig schwere Fahrzeuge herumstehen, die keiner reparieren kann. Jeden Tag fallen im Durchschnitt zehn Lastwagen aus, weil sie von vorn bis hinten klappern. Dabei wäre alles so einfach – wenn wir Ersatzteile hätten. Aber nein, was schickt uns Tjumen? Neue Fahrer!« Smerdow blickte nun doch auf Abukows Papiere, verzog geradezu schmerzhaft das Gesicht und polkte mit der Zungenspitze einen dicken Krümel aus seinen Zähnen: »Schwertransporter? Victor Juwanowitsch, da ist keine Hoffnung! Alles besetzt. Einen Fünftonner kann ich Ihnen geben, einen Kasten mit Kühlaggregat für Fleisch und verderbliche Lebensmittel …«
    »Danke, Genosse.«
    »… aber das Miststück hat einen Knacks in der elektrischen Leitung, der Motor sagt keinen Muff, und das Aggregat heizt, statt zu kühlen. Damit können Sie sich belustigen, Victor Juwanowitsch. So sieht's bei mir aus!«
    Nach einer Unterhaltung von zwanzig Minuten, einigen Telefongesprächen und einem tierischen Gebrüll des aggressiven Smerdow mit seiner Zentralwerkstatt in Surgut bekam Abukow einen neuen Schein, der ihn berechtigte, den Kühlwagen Nummer 11 zu übernehmen.
    »Sie wollen ihn reparieren, Victor Juwanowitsch?« fragte Smerdow mit schiefem Kopf.
    »Versuchen werde ich's.«
    »Wenn Sie damit bei mir vorfahren, spendiere ich eine Flasche Wodka. Und in die Lohnliste trage ich Sie für eine Prämie ein. Viel Vergnügen, Genosse Abukow.«
    Eine Stunde später standen Abukow und Mustai vor dem Kühlwagen Nummer 11. Es war ein fast noch neuer Wagen, hellgrau lackiert, mit guten Reifen, ohne Roststellen und ohne Beulen. Nur gab er keinen Ton von sich.
    »Welch ein Wägelchen!« hatte Mustai ausgerufen und in die Hände geklatscht. »Haben wir ein Glück, Victor. Ein Kühlwagen! Den wagt keiner zu kontrollieren – aus Angst, die Ware könnte verderben. Immer freie Fahrt! Kannst immer sagen: Platz, ihr Hohlköpfe, oder ihr bekommt faules Fleisch zu fressen und ranzige Butter. Wer mich behindert, schädigt das Volkseigentum und sich selbst.«
    Der Werkstattleiter, durch Smerdows temperamentvollen Telefonanruf in tiefster Seele beleidigt, hatte Abukow und Mustai allein gelassen, nachdem er wütend erklärt hatte, diesen Kühlwagen solle der Teufel holen. Die Batterien seien in Ordnung, die Kabel auch, trotzdem stehe er herum wie ein Denkmal. Man wisse nicht mehr weiter.
    Zwei Tage lang suchten Mustai und Abukow nach dem Fehler. Sie testeten die gesamte komplizierte elektrische Anlage durch und entdeckten endlich, daß im Kühlaggregat ein Relais versagte, einen Kriechstrom bildete und damit die Batterien immer wieder entlud. An ein neues Relais aber war vorläufig nicht zu denken. Mustai löste das Problem auf usbekische Art. Am nächsten Morgen sagte der Kühlwagen Nummer 3 keinen Ton mehr, der Fahrer fluchte gottserbärmlich, gab seinem Fahrzeug sinnlose Tritte, der Werkstattleiter schleuderte seine Mütze auf den Boden und trampelte auf ihr herum – aber auch davon bewegte sich der Kühlwagen Nummer 3 nicht mehr.
    Dagegen gab der Kühlwagen Nummer 11 unter dem Fahrer Abukow ein fröhliches Röhren von sich und brummte aus der Halle hinaus auf den Hof. »Wie ist das möglich?« brüllte der Werkstattleiter und schielte vor Erschütterung. »Was hast du mit ihm gemacht? Woran lag es?«
    »Ein Kabelknick in der Kühlung«, sagte Mustai. »War kaum zu sehen. Ein Knickchen. Diese komplizierte

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