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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Antwort, aber von unten her schielte sie zu Abukow hinauf. Ein kräftiger schöner Mann war er, der ein Herz in Schwingungen versetzen konnte. »Haben Sie Wünsche?«
    »Wünsche … wenn ich Sie ansehe …?«
    »Es geht um den Einsatzort, Genosse. Um nichts sonst!«
    »Ich habe Kameraden bei den Baggern nördlich von Surgut. Ein Verwandter von mir, ein Vetter, arbeitet auf dem Schwimmbagger Samotlor. Wenn die Transportbrigade III in dieser Gegend noch einen Fahrer braucht …«
    »Surgut?« Das liebe Püppchen blickte zweifelnd hoch. »Sie wollen wirklich in das nördliche Gebiet von Piltanlor und Yegan?«
    »Wo mein Vetter ist, kann auch ich arbeiten. Die Hölle wird's nicht sein.«
    »Sie könnten aber auch in Tjumen arbeiten.« Sie spitzte das rote Mündchen, und normalerweise hätte kein Mann dieser Aufforderung widerstehen können. Abukow aber schüttelte den Kopf. »Schreiben Sie Surgut ins Papier!« sagte er. »Wenn möglich, meine ich.«
    »Ich wollte nur Ihr Bestes, Genosse.« Sie trug tatsächlich Brigade III, Kombinat Surgut Nordost, ein und verlor alles Interesse an Abukow. Wer einmal in Surgut war, kam nur zur Durchreise nach Tjumen zurück.
    Abukow bekam seine endgültigen Papiere und verließ erleichtert das Verwaltungsgebäude. Wie schnell es ihm gelang, nach Surgut vorzudringen, das war erstaunlich. Aber in der Bürokratie unterschied sich Sowjetrußland nicht wesentlich von anderen Staaten: Gelang es einem erst mal, ein ›Vorgang‹ in den Akten zu werden, dann arbeitete der Beamtenapparat reibungslos und gut geölt. Man gehörte dazu und wurde weitergereicht, bis man die Stelle erreicht hatte, die eingetragen worden war.
    Mustai Jemilianowitsch Mirmuchsin war in Hochstimmung, denn drei von den noch fehlenden sechs Paketen waren angekommen. »Und wie war es bei dir?« fragte er Abukow fröhlich. »Was hat's bei der Verwaltung gegeben?«
    »Krank für acht Tage.«
    »Sagte ich es doch!«
    »Und eine Fahrerstellung in Surgut, Verpflegungsbrigade III.«
    »Ein Wunder ist das. Wieviel Rubel hat's gekostet?«
    »Nicht eine Kopeke. Ein Rotmündchen saß an der Quelle.«
    »Haha! Du hast sie flott übern Tisch gelegt?«
    »Nicht einmal das. Nur ihren Lippenstift habe ich gelobt.«
    »Ein Glückspilz bist du! Victor, mein Brüderchen, wir können zusammen fahren. Ich mach dich mit allen bekannt, die nützlich sind. Da ist in erster Linie der Fettwanst Gribow, der Leiter des Magazins. Dann Nina, die Zentralköchin. Hat eine Stimme wie ein Mann; aber jeder muß seine Hose festhalten, wenn er mal allein mit ihr ist. Dabei zählt sie schon neunundvierzig Jahre. Wichtig ist für dich auch Nikita Borisowitsch Rakscha, dem die große Autowerkstatt untersteht. Ein leidenschaftlicher Schachspieler. Selbst wenn er mit einem Weib im Bett liegt, hat er sein Brett neben sich stehen und knobelt neue Züge aus. Kannst du Schach spielen?«
    »Sehr gut sogar.«
    »Dann wird Nikita Borisowitsch sofort dein Freund werden.« Mustai reichte Abukow eine Tüte mit Honigbonbons hin, die er in der Stadt gekauft hatte. Knackend zerbissen sie solch ein Zuckerkissen und fühlten sich beide pudelwohl. »Ja, und noch einer wird dir begegnen«, sagte Mustai. »Mikola Victorowitsch Jachjajew. Der Politkommissar der Lagergruppe. Ein Saustück, ein wahrer Teufel, ein geiler Bock. In dem schlägt kein Herz; der hat einen Motor drin in der Brust. Mit ihm mußt du dich gut stellen, wenn du ihm begegnest. Er blickt dich aus Schweinsaugen an, und entweder mag er dich sofort – dann läßt er dich in Ruhe –, oder er mag dich nicht – dann kannst du ihm den Hintern lecken, er verprügelt dich trotzdem. Oberstleutnant Rassim, ein Turkmene, ist der Lagerkommandant. Ein Muskelberg. Er ist nur glücklich, wenn er brüllt. Erschrick also nicht, wenn er dich anbläst. Wenn er sanft ist, kann er nur krank sein, oder er wird gefährlich. Und sonst …« Mustai hob den Blick zur Decke und kaute seine Honigbonbons: »Die Lagerärztin Larissa Dawidowna, ein verhindertes Engelchen. Dann Dshuban Kasbekowitsch, der Lagerchirurg, der blonde Kerle liebt. Und Chefingenieur Morosow, ein stiller Mensch, der nie lacht und mit seinen Bauplänen schläft. Das sind die wichtigsten Personen. Die anderen nützen dir nichts.«
    »Die anderen? Welche anderen?« fragte Abukow ohne große Betonung.
    »Der Professor, der Jurist, der Chirurg, der Schriftsteller, der Physiker, der Boxer, der Bildhauer, der General …«
    »Du lieber Himmel. Lauter gebildete

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