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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Technik, Genosse! Empfindlich wie eine Brustwarze. Gibt es Ärger mit Nummer 3?«
    Smerdow staunte nicht schlecht, als Abukow sich bei ihm melden ließ und strahlend ins Zimmer trat. »Blicken Sie aus dem Fenster, Lew Konstantinowitsch!« rief er und rieb sich die Hände. »Und dann heraus mit der Flasche Wodka und der Sonderprämie! Da steht Nummer 11!«
    Smerdow war ein mißtrauischer Genosse. Man kann ein Auto auch herumschieben und vor ein Haus schleppen. Er fuhr also mit Abukow kreuz und quer durch Surgut, und als die Nummer 11 nach einer Stunde noch immer fröhlich brummte und das Innere des isolierten Kastens eine herrliche Kühle ausströmte, was jetzt, bei über 30 Grad Hitze im Freien, besonders spürbar war, gab sich Smerdow geschlagen.
    »Es ist schlimm, nur von Idioten umgeben zu sein«, sagte er klagend. »Sie scheinen der einzige Intellektuelle in meiner Bande zu sein. Victor Juwanowitsch, wenn Sie sich eingefahren haben und alles kennen, könnten Sie Gruppenleiter werden …«
    »Bloß das nicht!« sagte später Mustai, als sie zum Zentrallager fuhren, um ihre erste Ladung aufzunehmen. »Als Gruppenleiter sitzt du mehr am Tisch als hinterm Steuer. Das wollen wir nicht. Unsere Nummer 11 geben wir nicht wieder her!«
    An diesem ersten Tag übernahmen sie Kartons mit Milch und Margarine, Marmeladenfässer, Kübel voll Rindfleisch und Innereien, Plastikwannen mit Quark und Spankisten voll frischem Kopfsalat.
    »Wohin?« fragte Mustai, als Abukow mit den Transportpapieren aus der Einsatzleitung kam. Mustais Sack mit den geheimnisvollen Limonadenessenzen lag auch im Kühlwagen.
    »Zum Magazin I in Nowo Wostokiny. Wo ist das?«
    »Genau dort, wohin wir wollen, Brüderchen. Das ist der offizielle Name für JaZ 451/1! Das Glück leckt uns den Hintern, man kann's kaum begreifen! Welche Freude, alle wiederzusehen. Mein Freund Gribow, der Verwalter, wird heute abend ein Fest für uns geben. Und Nina Pawlowna wird für uns kochen. Ha, eine Spezialität hat sie, bei der dir das Wasser aus dem Mund läuft: Kotmis Saziwi – Brathähnchen in Walnußsoße. Sie kommen ja an alles ran, die mächtigen Genossen!«
    Mit fünf Wagen fuhren sie los. Abukow, als Neuling, machte den Schluß. Das war die schlechteste Position, denn der aufgewirbelte Staub der vier voranfahrenden Wagen zog voll über ihn hinweg. Er fuhr immer wie durch einen gelblichen Nebel und sah nach einer Stunde aus, als sei er in eine Mehltonne gefallen. Zwar tobte Mustai und schrie herum, er kenne den Weg wie seinen Bauchnabel, und Abukow habe eine Prämie bekommen und ihm gebühre die Spitze – aber der Fahrer des ersten Wagens spuckte bloß vor Mirmuchsin aus, sagte: »Halt's Maul, blöder roter Hund!« und drohte Schläge an.
    Am Abend erreichten sie den Lagerkomplex 451/1. Man merkte es daran, daß sie drei Kontrollen durchfuhren; Schlagbäume, die die Straße sperrten. Aber die Wachsoldaten verrichteten ihren Dienst sehr lässig, sie kannten ja die meisten Fahrer und die Lastwagen. Sie winkten Mustai fröhlich zu, als dieser den Kopf aus dem Fenster steckte und seine bestickte Filzkappe schwenkte, und riefen lachend: »Der Blöde ist wieder da! Hast wohl deine Blase wieder mit Limonade gefüllt, haha?!«
    »Alle sind meine Freunde«, sagte Mustai glücklich und lehnte sich neben Abukow zurück. »Siehst du es?«
    Abukow nickte stumm. Die Fahrt über die durch die Taiga geschlagene Straße, über Holzbrücken und durch Sumpffelder, wo trotz der Hitze der schlammige Boden noch weich war und wo statt des Staubes Wolken von Moskitos den Transport begleiteten – diese Fahrt hatte ihm einen ersten Eindruck vermittelt davon, unter welchen Bedingungen die Häftlinge arbeiten mußten. Nun sah er auch einen Teil der neuen Erdgas-Trasse, einen sogenannten Zufahrtsstrang, und zum erstenmal begegnete ihm eine Kolonne Sträflinge, die zurück ins Lager marschierte, verschwitzt, verdreckt, schwankend vor Entkräftung, die Köpfe von Mückenstichen aufgedunsen, mit hohlen Augen und leeren Blicken. Nur vier Wachsoldaten begleiteten sie; mehr war nicht nötig, denn jeder führte einen scharfen Hund an der Lederleine: die Spezialität von Oberstleutnant Rassim. Wer wollte hier schon flüchten? Wer hatte genügend Kraft dazu?
    Abukow fuhr mit schwerem Herzen an der armseligen Kolonne vorbei. Jetzt bin ich zu euch gekommen, dachte er. Ich bringe euch nichts als Gottes Wort und ein Kreuz. Ob euch das genügt? Mein Gott, was ist hier zu tun!
    Sie erreichten den

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