Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
geworden.
    Es geschah genau das, was Mustai vorhergesagt hatte: Der dicke Gribow gab in seiner Wohnung im Magazin ein kleines Empfangsfest. Nina Pawlowna Leonowna, die Leiterin der Zentrallagerküche, briet drei Hähnchen und machte eine Walnußsoße, die zum Köstlichsten gehörte, was Abukow je gegessen hatte. Mustai sang usbekische Lieder, man trank Wodka und kam so in Stimmung, daß Nina Pawlowna sich bei Abukow auf den Schoß setzte und ihn trotz seiner ungeschickten Abwehrversuche abknutschte. Gegen zwei Uhr morgens fiel Gribow um wie ein gefällter Baum, Mustai lag auf einem Sofa und röchelte, und Nina Pawlowna hing quer über dem Tisch und schnarchte schauerlich.
    Abukow verließ die Wohnung, trat hinaus in die warme Nacht und sah sich um. Von den Wachttürmen her waren Scheinwerfer auf die Absperrung gerichtet, alles andere lag im Dunkel. In dem großen Zwinger neben der Kommandantur rumorten die Hunde. Vom Maschinenhaus herüber klang Stampfen und dumpfes Rattern.
    Abukow ging langsam hinüber zu seinem Wagen Nummer 11. Mit den anderen Fahrzeugen stand er in einer korrekten Reihe vor den Wagenschuppen des Bewachungsbataillons. Mit schwerem Herzen setzte sich Abukow auf eine leere Kiste, die an der Schuppenwand stand, und blickte hinüber zu dem breiten geschlossenen Lagertor. Verwundert wandte er den Kopf, als er von rechts einen leichten Schritt hörte. Das Klappern kam näher, die Wagenreihe entlang. Er fragte sich, ob er nicht im Schatten des Schuppens untertauchen sollte. Er entschloß sich sitzenzubleiben und steckte sich sogar eine Papyrossi an. Plötzlich kam die Person um den Wagen herum, stand vor ihm und starrte ihn an. Eine junge, schlanke Frau war es, mit kurz geschnittenen schwarzen Haaren. Sie trug ein einfaches Baumwollkleid von hellbrauner Farbe mit gelben Tupfen. Sehr schön sah sie aus, mit hohen Backenknochen und Mandelaugen. Der Anblick des Mannes auf der Kiste schien sie zu erschrecken; ruckartig blieb sie stehen, ihre Hände nestelten unruhig an dem Gürtel, der ihre Taille umschlang. Aber sehr schnell überwand sie die Überraschung und stemmte die Hände in die Hüften.
    »Was machen Sie denn hier?« fragte sie mit scharfer Stimme. Es war ein heller, befehlsgewohnter Ton.
    »Ich genieße die reine Nachtluft, bevor morgen wieder die Mücken kommen. Ist's nicht erlaubt?« antwortete Abukow höflich.
    »Haben Sie keine Uhr?«
    Abukow erhob sich. »Wen interessiert die Zeit, wenn man tief durchatmen kann?«
    »Wer sind Sie?« fragte sie im Befehlston.
    »Ich fahre dort den Kühlwagen.« Abukow zeigte auf das Fahrzeug. »Nummer 11. Und wer sind Sie? Haben Sie etwa keine Uhr?«
    »Sie kennen mich nicht? Sie sind neu hier?«
    »Heute erst aus Surgut angekommen.«
    »Ich leite hier das Hospital. Larissa Dawidowna Tschakowskaja.«
    »Ah! Oh! Die Chefärztin persönlich. Welche Ehre. Gerade Sie werden Verständnis haben für meine Luftnot. Es war heute eine staubige Fahrt.«
    »Ich komme eben von einem Kranken!« sagte die Tschakowskaja, als müsse sie eine Erklärung abgeben. Ihr Blick war unruhig, als habe sie Sorge, außer Abukow könnten noch andere sich an der Nachtluft erfreuen. Victor Juwanowitsch bemerkte das sehr wohl und wunderte sich im stillen. Irgendwie gehetzt sieht sie aus, dachte er. Hat sie Angst? Warum? Was ist dabei, wenn sie sich mit einem Lastwagenfahrer unterhält, der im Dunkeln herumsitzt und raucht und sie dabei zufällig sieht, wenn sie um zwei Uhr nachts von einem Kranken kommt. Was, so darf man fragen, stimmt da nicht?
    »Ist es erlaubt, morgen in Ihre Sprechstunde zu kommen, Genossin Chefärztin?« fragte er fast demütig.
    »Sind Sie krank?«
    »In Tjumen hatte ich eine Darminfektion. Man weiß nie, Genossin … Mein Freund Mustai Jemilianowitsch hat dadurch einmal vierzehn Pfund verloren.«
    »Mustai ist Ihr Freund?« Sie musterte ihn plötzlich mit anderen Blicken. Die Angst im Hintergrund schien verflogen. Ihre Augen wurden menschlicher und wärmer. »Sie haben Ihren Namen nicht gesagt.«
    »Victor Juwanowitsch Abukow. Spezialist für Schwertransporter. Da man dort keinen Posten frei hat, habe ich einen Kühlwagen bekommen.«
    »Und woher kennen Sie Mustai?«
    Das klang ja fast nach einem Verhör. Abukow sah die Tschakowskaja forschend an. Was wollte sie wissen? Warum veränderte sich ihr erst angespanntes Wesen bei der Nennung von Mirmuchsin? Was tat der Blöde, der so klug war, im Lager noch anderes als Limonade herstellen und verkaufen?
    »Wir lagen in

Weitere Kostenlose Bücher