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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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versuchen.«
    »Das Papier können Sie haben. Was nützt es Ihnen? Niemand wird Ihnen helfen.«
    »Vielleicht Sie, Genosse.«
    »Immer nur mit Papierchen?« Der Kulturbeauftragte hob die Schultern. »Die können Sie dann als Dekoration auf die Bühne hängen. Und überhaupt: Genehmigen muß es Oberstleutnant Rassim. Allein er weiß, ob die Lagergruppe für ein Theater geeignet ist.«
    »Sie könnten mit dem Genossen Rassim reden.«
    »Ich kann nur empfehlen.«
    »Das wäre schon genug. Dazu die Erlaubnis, ein Laientheater zu gründen.«
    »Ist für all diese Dinge nicht der Genosse Jachjajew verantwortlich?«
    »Sie sagen es.« Abukow schob die Unterlippe vor. »Nicht jeder Mensch, der ein verantwortliches Amt bekleidet, ist ein musischer Mensch. Der Genosse Jachjajew wird in dieser Richtung ein Problem.«
    So ging es noch eine ganze Weile, wie gesagt, über drei Stunden lang. Nach dieser unendlichen Diskussion verließ Abukow den vornehmen Genossen mit vier Bescheinigungen, alle unverbindlich, ohne eine Verpflichtung des Ausstellers, aber für Abukow in seiner Situation mehr wert als blankes Gold. Es kam darauf an, wie man den Text verstehen wollte, etwa diesen:
    »Dem Genossen V.J. Abukow ist es erlaubt, in der Lagergruppe 451/1 Theater zu spielen und Partner zu beschäftigen. Erlaubt sind nur klassische Stücke, Opern und Operetten. Sie müssen vorher dem Kulturbeauftragten oder seinem Vertreter vorgelegt werden …« Und dann kam ein Satz, der Abukow besonders freute: »… Das Komitee für kulturelle Bildung sieht es als besonders förderungswürdig an, wenn aus dem Volk heraus Sänger und Schauspieler hervorgehen …«
    Das war weit mehr, als Abukow sich je erhofft hatte. Mit diesen Schreiben sah er es als sicher an, daß in kurzer Zeit eine Theatergruppe im Lager gebildet werden konnte. Das Fundament einer Kirche, umkleidet mit bunten Bühnenbildern.
    Am Abend kaufte er sich etwas Brot und gekochten Schinken, leistete sich eine Flasche Krimwein und kehrte in das Wohnheim zurück.
    Auf seinem Bett hockte Mirmuchsin und wartete auf ihn. Mit gekrauster Stirn und verengten Augen sah er Abukow an, bemerkte die Flasche Wein und zog die Unterlippe durch die Zähne.
    »Mustai! Brüderchen!« rief Abukow, als er Mirmuchsin von weitem sah. »Du bist hier? Welche Freude! Als hätte ich es geahnt … eine gute Flasche habe ich gekauft. Laß dich ans Herz drücken.« Mustai wehrte sich nicht, als Abukow ihn an sich zog und brüderlich küßte. Überhaupt sah seine Freude echt und ehrlich aus. Er war nicht betreten, seine Augen zuckten nicht, kein Schuldgefühl lag in den Mundwinkeln. Wie ein echter Freund benahm er sich.
    Mirmuchsin dachte an die gedrehte Seidenschnur in seiner Rocktasche und klopfte beim Bruderkuß Abukow auf den Rücken: »Alle haben sie dich vermißt«, sagte er. »Kommt doch am Montag der Kühlwagen Nummer 11 und kein Victor Juwanowitsch sitzt darin. Das muß man klären, habe ich gedacht. Mußt sowieso nach Surgut zur Zuteilungszentrale. Vielleicht hast du Glück, triffst Brüderchen Abukow und fragst ihn, was denn passiert ist! Und was erfahre ich? Das Brüderchen flog nach Tjumen. Warum, frage ich? Was macht er dort? Ich war neugierig. Und nun bin ich hier!«
    »Du wirst vor Staunen den Mund nicht mehr zubekommen! Zwei erfolgreiche Tage hatte ich.«
    »Soso?« sagte Mustai verhalten. »Laß hören.«
    »Ich bin vorgedrungen bis zur höchsten Stelle. Bis zum Vorgesetzten von Jachjajew … Ist das etwas?«
    »Man kann nur gratulieren. Oha, das ist wirklich etwas! Wem gelingt das schon? Hattest viel zu erzählen, was?«
    »Eine große Menge! Über drei Stunden habe ich geredet …«
    Ich werde ihn in der Nacht erdrosseln, dachte Mirmuchsin und blickte Abukow auf den braungebrannten Hals. Laß ihn jetzt schwätzen – er wird so viel erzählen, daß ein Körnchen genügt, um ihn umzubringen. Ein Wörtchen nur … O Bruder, und dir habe ich vertraut. War bereit, mich in meiner eigenen Limonade zu ertränken, so sicher war ich deiner.
    »Vollmachten habe ich sogar bekommen!« sagte Abukow glücklich.
    »Vollmachten?« wiederholte Mustai dumpf. »Aha! Soso!«
    »Sogar vier Stück. Das übertrifft alles.«
    Mirmuchsin sah zu, wie Abukow mit einem Korkenzieher, den man aus einem Taschenmesser hervorknicken konnte, die Weinflasche öffnete, das Brot auspackte, den gekochten Schinken und einen Kunststoffbecher aus seinem Brotbeutel holte.
    »Den Einsatz am Donnerstag werde ich wieder fahren«, sagte

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