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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich durch ärztlichen Firlefanz nicht mehr hindern, das zu tun, was ich für nötig halte. Ich brauche bis zu dem Tag, an dem ich sage: ›Jetzt wieder!‹ keinen Arzt mehr in meinem Lager … Und ich verantworte das vor jedem. Vor jedem, Genossin! – Verstehen wir uns?«
    »Nein!« Die Tschakowskaja hob den Kopf. Ihre Augen funkelten. »Machen Sie Ihre Meldungen, Genosse Kommandant – ich mache die meinigen. Ihre werden nach Tjumen und Perm gehen; den Weg meiner Meldungen brauche ich Ihnen nicht zu erklären …«
    Rassim holte tief Luft, aber obgleich er glaubte, platzen zu müssen, brüllte er nicht auf. Da war sie wieder, die ungreifbare Drohung, der Schutzpanzer, der die Tschakowskaja umgab: Moskau. Der geheimnisumwitterte Onkel im Zentralkomitee. Das quälende Unwissen, wer hinter Larissa Dawidowna und ihrer verdammten Sicherheit stand. Selbst Jachjajew war bei seinen vorsichtigen Nachforschungen gescheitert. Der KGB in Moskau schwieg sich aus. Wenn so etwas geschah, mußten die da oben schon wichtige Gründe haben.
    »Gehen wir der Sache gründlich nach«, sagte Jachjajew etwas gehetzt. Er bemerkte nun auch Abukow, der noch immer an der Wand lehnte, blickte ihn lauernd an und wedelte dann mit den Händen: »Gehen wir ins Lager!«
    Rassim stürzte wie ein Raubtier aus dem Hospital, die anderen folgten. Und als Jachjajew an Abukow vorbeiging, blieb er kurz stehen und flüsterte ihm zu: »Haben Sie mit dem Hühnchen etwas zu tun? Wenn ja, sagen Sie es schnell. Wir zwei können uns verständigen.«
    »Nichts, Genosse«, antwortete Abukow ebenso leise. Dabei lächelte er breit. Es ist immer gut, mit gefährlichen Leuten in einer Kumpanei zu leben. »Aus meinem Kühlwagen Nummer 11 flattert kein unregistriertes Hühnchen.«
    Mit einem Hüsteln lief Jachjajew den anderen hinterher. In wenigen Augenblicken war der Vorraum des Hospitals leer. Nur Larissa Dawidowna stand noch da, und im Hintergrund drückte sich Professor Polewoi herum. Abukow ging zur Tür, schloß sie und kam dann zurück. Die Tschakowskaja nagte an der Unterlippe, ihr Blick war nun unruhig geworden. Ihre Finger trommelten gegen ihre Hüften. Als Abukow nahe vor ihr stand, drehte sie den Kopf weg und starrte gegen die ölgestrichene Wand.
    »Warum haben Sie das getan, Larissa Dawidowna?« fragte Abukow. »Die Feindschaft mit Rassim kann Ihr Unglück werden.«
    »Ich hasse ihn«, sagte sie ohne große Leidenschaft in der Stimme. »Das ist einfach alles: Ich hasse ihn. Sonst nichts.«
    »Man flüstert da etwas von einem einflußreichen Onkel im Kreml. Ein Gevatterchen mit Macht. Das gibt Ihnen diese Sicherheit, ist es so?«
    »Was redet man nicht alles!« Die Tschakowskaja hob die Schultern. Aus dem Hintergrund schob sich Professor Polewoi heran, zur Tarnung trug er eine Urinflasche in der Hand, als würde er zu einem Kranken gerufen. »Warum stehen Sie noch hier herum? Warten Sie auf eine ärztliche Leistung?!«
    »Ja.« Abukow lehnte sich gegen die Eingangstür. Da sie nach innen aufging, mußte man ihn wegdrücken, wenn jemand plötzlich das Hospital betreten wollte. Es war ein Schutz gegen Überraschungen. »Die Pinkelflasche des Professors allerdings brauche ich nicht.«
    »Wir kennen uns noch nicht, Genosse«, sagte Polewoi voller Vorsicht.
    »Man informiert sich …«
    »Zu welchem Zweck?«
    »Wir sind unter uns, liebe Freunde«, sagte Abukow leise, aber deutlich. »Niemand wird uns jetzt stören. Da drüben, in der Hölle, werden die Teufel wüten – welch ein Schauspiel für alle! Niemand wird es sich entgehen lassen.«
    »Es ist, logisch gesehen, Ihr Werk, Abukow.« Polewoi atmete schwer. Er dachte an seine Kameraden, die jetzt vor den Maschinengewehren standen und Rassims Racheorgien anhören mußten. »Sie haben die Lebensmittel geliefert. Pumpen Sie sich jetzt auf mit Triumph?«
    »Ich bin traurig bis in die tiefste Seele«, erwiderte Abukow ernst. »Ich wollte nur helfen, und es sollte auch nur der Anfang sein. Wer konnte ahnen, was daraus entsteht?«
    »In welcher Welt leben Sie eigentlich, Victor Juwanowitsch?« Polewoi drückte die Urinflasche an sich, als sei sie etwas ungeheuer Wertvolles. »Da schmuggeln Sie ein Stück Himmel in das Lager, und der eine hat drei Bissen Huhn, der andere kocht sich ein Ei, ein anderer läßt ein Stück Schokolade in der Mundhöhle zergehen, und einige bestaunen ihr Klümpchen Schmalz, bevor sie es auf ihre Scheibe Brot schmieren oder unter die Suppe rühren – und da ist plötzlich ein Mensch,

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