Ein Kuss für die Ewigkeit: Roman (German Edition)
gestemmt. Shelley biss die Zähne zusammen; sie musste sich bremsen, ihm nicht die Stuhlbeine unter dem Allerwertesten wegzukicken und Miss Zimmermans rougebespachtelten Wangen mit einer gepfefferten Ohrfeige einen noch dramatischeren Hautton zu verpassen.
Stocksauer auf Grant und noch wütender auf sich selbst, machte sie sich während der gesamten Veranstaltung nicht die kleinste Notiz. Stattdessen starrte sie brütend aus dem Fenster. Am Schluss schnappte sie sich sofort ihre Bücher und rannte an ihm vorbei zur Tür.
»Mrs. Robins?«
Sie blieb abrupt stehen, woraufhin der nachfolgende Student unversehens mit ihr zusammenprallte. Sie spielte mit dem Gedanken, sich taub zu stellen, aber dummerweise hatten alle anderen Studenten ebenfalls mitbekommen, dass Grant sie gerufen hatte. Außerdem wollte sie ihm nicht noch mehr Zündstoff bieten, sie lächerlich zu machen. Mit durchgedrücktem Rückgrat und gestrafften Schultern drehte sie sich zu ihm um und traf auf einen nachdenklichen Blick aus graugrünen Tiefen.
»Ja?«, sagte sie so kühl wie eben möglich, zumal ihr Adrenalinspiegel mit einem Mal sprunghaft in die Höhe schoss.
»Ich benötige eine wissenschaftliche Hilfskraft. Hätten Sie vielleicht Interesse an dem Job … Mrs. Robins?«
6
Der Strom der Studenten zwängte sich an ihr vorbei aus dem Seminarraum, während sie stocksteif verharrte und ihn nur anstarrte. Was glaubte er eigentlich, wer sie war? Dass sie auf Kommando nach seiner Pfeife tanzte? Wochenlang hatte er nicht mit ihr geredet, und jetzt wollte er sie auf einmal als Assistentin haben?
»Ich … ich denke, eher nicht, Mr. Chapman«, gab sie frostig zurück.
Bevor sie sich umwandte und den anderen folgte, setzte er hastig hinzu: »Lassen Sie mich Ihnen wenigstens erklären, worum es geht. Wenn Sie den Job dann immer noch nicht wollen, frage ich jemand anderen.«
Oberflächlich betrachtet handelte es sich um ein völlig neutrales Gespräch. Gleichwohl schwangen in der höflich geführten Unterhaltung unterschwellig Emotionen und Widerstand mit. Shelley hätte ihn am liebsten zusammengestaucht, dass er sie die letzten Wochen ignoriert hatte, gleichzeitig wollte sie ihm um den Hals fallen und ihn nie mehr loslassen.
Sie hasste sich für ihre Unzulänglichkeit, war aber immerhin so aufrichtig, diese zu akzeptieren. Um ihre Gefühle nicht preiszugeben, blieb ihre Miene unbeeindruckt, reglos. Ihre Haltung kerzengerade.
Als der letzte Student den Raum verlassen und die
Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte Grant seelenruhig: »Setzen Sie sich, Mrs. Robins.«
»Ich stehe lieber. Außerdem bin ich in Eile, Mr. Chapman . Wie ich schon sagte, ich habe kein Interesse daran, Ihre Assistentin zu werden.«
Er schüttelte den Kopf und rieb sich mit einer Hand ärgerlich den Nacken. Shelley fiel spontan ein, dass er ja eine Professur innehatte, und hätte laut auflachen mögen. Er sah kein bisschen so aus, wie man sich einen Professor vorstellte. Seine schmal geschnittene Hose saß perfekt, wie eine zweite Haut. Ein dunkel kariertes Flanellhemd in Grau-, Grün- und Rosttönen spannte über seiner trainierten Brust- und Schultermuskulatur. Sie riss die Augen von dem dunklen Flaum, der sich unter dem geöffneten Hemdkragen wellte, und hob den Blick.
Der direkte Blickkontakt erwies sich als schwerer Fehler. Grant musterte sie nämlich hingebungsvoll. Und das Begehren in seinen dunklen Tiefen spiegelte ihr eigenes wider.
»Ich brauche jemanden, der mich entlastet, Mrs.… ach, verdammt … Shelley . Sie – ähm – du müsstest eine ganze Menge lesen und das Wesentliche für mich zusammenfassen. Mündlich, meine ich, nicht schriftlich. Nächste Woche beginnen die Examen, du weißt, was das für mich heißt. Da brauche ich eine Zweitbeurteilung. Immerhin habe ich fünf Lehrveranstaltungen mit vierzig und mehr Studenten.«
Sie betrachtete ihre Schuhspitze. Die war zwar bei weitem nicht so eindrucksvoll wie Grants Astralkörper, aber dafür wesentlich unverfänglicher. Als sie den Blick erneut hob, sah sie ihn unschlüssig an. Zwang
sich, etwas nachdrücklich Endgültiges in ihre Stimme zu legen. »Das ist mit Sicherheit nichts für mich.«
Ihren Einwurf ignorierend, führte Grant weiter aus. »Du überzeugst durch herausragende Leistungen. Mir ist durchaus bewusst, dass du ein hartes Semester vor dir hast, aber dein Notendurchschnitt kann sich sehen lassen. Du arbeitest nicht nebenher und hast keine familiären Verpflichtungen. Und ich
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