Ein Kuss für die Ewigkeit
nach Kent, als die Gruppe angegriffen wurde. Der König hält sich an seinem Hof in Salisbury auf, das liegt in der entgegengesetzten Richtung.“
„Vielleicht bekommen wir von ihrer Familie eine Belohnung, weil wir ihr geholfen haben“, gab Garreth zu bedenken.
„Ja, vielleicht“, stimmte Finn ihm zu, beabsichtigte jedoch nicht, das herauszufinden. Er wollte weder Lady Adelaide noch ihrem Ehemann je wiederbegegnen. „Aber wir haben keine Zeit, um nach Kent zu reisen. Wenn wir Ryder nicht bald aus Wimarcs Verlies holen, wird er tot sein.“
Langsam verhungert würde er sein, so wie jeder von Wimarcs Gefangenen.
Garreth warf noch einen Zweig ins Feuer, der einen leichten Funkenregen aufsteigen ließ. „Dann bringen wir sie also wirklich nach St. Mary’s-in-the-Meadow ?“
„Ja.“ Ihm entging nicht der missbilligende Blick seines Gefährten. „Wir können sie nicht sich selber überlassen.“
„Ihre Dienerin sah mich an, als würde ich übel riechen.“
„Sie hat Angst.“
„Wovor? Wir haben den beiden doch geholfen. Und Lady Elizabeth hat auch Angst, aber sie hat uns nicht so angesehen.“
„Ich würde sagen, dass sie ebenfalls Angst hat. Jedoch ist sie älter, und ich glaube, sie hat gelernt, ihre Gefühle zu verbergen. Keldra ist ein junges Mädchen und eine Dienerin. Sie kann nicht so wie eine Lady damit rechnen, beschützt zu werden.“
Dummerweise würde die Tatsache, dass Elizabeth eine Lady war, sie aber nicht vor Wimarc beschützen.
„Was glaubt Ihr, warum Wimarc seine Leute auf sie angesetzt hat?“
„Politische Hintergedanken. Sie hat durch die Ehe ihrer Schwester Verbindungen zu Männern, die auf der Seite des Königs stehen, Wimarc dagegen nicht. Vermutlich beabsichtigt er, sie gegen diese Männer zu benutzen.“ Er warf Garreth einen Seitenblick zu. „Manchmal hat es auch seine Nachteile, wenn man ein Adliger ist.“
„Also gut, dann begleiten wir sie morgen zum Kloster. Aber ich hoffe, dieses törichte Mädchen flennt nicht wieder die ganze Zeit. Davon werde ich nämlich noch verrückt.“
„Die Kleine ist nicht töricht, sondern verängstigt“, betonte Finn noch einmal. „Und du solltest dich jetzt etwas ausruhen. Wir haben morgen einen weiten Weg vor uns, und je eher wir das Kloster erreichen, umso schneller können wir uns daran machen, Ryder zu retten.“
Garreth nickte, zögerte kurz und fragte dann leise: „Dann glaubt Ihr, dass er noch lebt?“
„Daran muss ich glauben.“ Finn griff nach einem weiteren Holzstöckchen. Ansonsten würde ihn die Schuld am Tod seines Halbbruders treffen.
Am nächsten Morgen ging Lizette hinter dem schweigsamen Iren auf einem Pfad entlang, der zwischen Erlen, Buchen, Eichen und Kastanien hindurchführte. Finn trug einen Lederbeutel mit ein wenig Proviant und ein paar Kleidungsstücken über die Schulter geschlungen. Wie es schien, war er ein Naturtalent im Aufspüren solcher Trampelpfade.
Garreth war genauso schweigsam, und Keldra hatte zum Glück aufgehört zu weinen. Die beiden Frauen hatten Mühe, dem Iren zu folgen, der eiligen Schrittes den Wald durchquerte.
Brachte er sie tatsächlich in ein Kloster? Hier im dichten Wald, in einem Gewirr aus Tälern, Bächen und breiteren Wasserläufen konnten sie überallhin unterwegs sein.
Wie sollte sie diesem Mann vertrauen?, fragte Lizette sich zum wiederholten Mal. Wie sollte sie ihm irgendein Wort glauben? Und woher sollte sie wissen, ob er ihnen wirklich helfen wollte? Er war ein Dieb, er stand jenseits des Gesetzes. Vielleicht war er sogar ein Mörder … und doch hatte er Wort gehalten und weder sie noch Keldra angefasst. Sie war in der Nacht eingedöst und hatte eine Weile geschlafen, und als sie erschrocken die Augen aufriss, da musste sie feststellen, dass er noch immer an seinem Lagerfeuer saß.
Die meiste Zeit über hatte er sich gar nicht geregt, als sei er versteinert, doch dann beugte er sich plötzlich vor und legte etwas Holz ins Feuer oder stocherte in der Glut, damit die Flammen wieder aufstiegen. Dann konnte sie sein Gesicht betrachten, während er so in das Feuer starrte, als sei dort die Zukunft abzulesen. Aber vielleicht hatte er auch nur versucht, auf diese Weise wach zu bleiben.
Im Morgengrauen hatte er sich erhoben und ihr und Keldra gesagt, dass sie aufbrechen mussten. Also taten sie das, wobei der Dieb die Führung übernahm und der Junge hinter ihnen blieb.
Mittlerweile fühlten sich ihre Füße so schwer wie Mühlsteine an, und ihr knurrte der Magen.
Weitere Kostenlose Bücher